Terra Mater
Überwindung war er seiner Pflicht nachgekommen – ihr weiches Fleisch roch nach Desinfektionsseife, und ihre Küsse schmeckten sauer. Da sie gespürt hatte, dass er sich seiner Professionalität bewusst war, legte sie zu den versprochenen fünfzig noch fünf Standardeinheiten dazu, worauf beide übereingekommen waren, sich einmal pro Woche zu treffen.
Auf diese Weise hatte sich Marti nach und nach einen Stamm regelmäßiger Kundinnen geschaffen – Männer hatte er kategorisch abgelehnt, obwohl sie ihm oft das Doppelte des gängigen Preises geboten hatten.
Alle diese Frauen liebten seine feinen Gesichtszüge, seine samtene Haut und seine guten Manieren. Die meisten waren verheiratet, aber äußerst geschickt darin, ihre Ehemänner von ihren Kabinen während des Stelldicheins fernzuhalten.
In wenigen Wochen hatte er auf diese Weise mehr als zweitausend Standardeinheiten verdient, die er indes mit ständiger Müdigkeit bezahlten musste und einem wachsenden Ekel vor seiner nebenberuflichen Tätigkeit.
Dieses Leben dauerte, bis er eines Tages den Sieur Robin de Phart kennenlernte. Nach einem besonders widerwärtigen Rendez-vous war er in ein verräuchertes Skoj-Restaurant in der Nähe der Sauerstoffzentrale gegangen. Er hatte sich gesetzt und etwas zu essen bestellt. Ein alter grauhaariger
Mann mit zerfurchtem Gesicht war an Martis Tisch getreten. Der junge Kervaleur hatte den Alten trotz seiner edlen Gesichtszüge für einen Freier gehalten.
Der alte Mann hatte ihn lange angestarrt.
»Was wollen Sie von mir?«, hatte Marti schließlich unwillig gesagt.
»Sie kommen vom Planeten Syracusa, nicht wahr?«, hatte der Alte in perfektem Imperiang gefragt.
»Vielleicht.«
»Erlauben Sie, dass ich mich vorstelle. Robin de Phart, Ethnosoziologe …«
Marti sah seinen Gesprächspartner näher an. »Phart? Sind Sie ein Mitglied der venicianischen Familie de Phart?«
»Ihre Frage hat nicht nur die meine beantwortet, junger Freund, sondern beweist auch, dass Sie zum Kreis der Höflinge gehören. Gestatten Sie, dass ich mich zu Ihnen setze?«
Von jenem Tag an hatten sich die beiden Syracuser regelmäßig in dem Skoj-Restaurant getroffen. Trifft man fern seines Heimatplaneten einen Mitplanetarier, schafft das sofort eine Vertrautheit, und Marti hatte das Bedürfnis, von seinen Erlebnissen zu berichten, wobei er natürlich die rituellen Menschenopfer und die Orgie nicht erwähnte.
»Wie viel haben Ihnen Ihre Liebesdienste eingebracht?«
»Ungefähr zweitausend Standardeinheiten.«
»Und damit wollen Sie Ihre Reise bezahlen? Der Doge Papironda verlangt dafür mehr als fünfzigtausend! Sein Luftschiff dockt in zwei Monaten hier an. Rechnen Sie sich aus, wie viele Frauen Sie bis dahin noch … beglücken müssen … Zwar sind Sie jung und kräftig, aber selbst Ihnen dürfte es schwerfallen, bis dahin den Wünschen von über zweitausend Kundinnen gerecht zu werden.«
Die Worte Robin de Pharts hatten Marti derart erschüttert, dass er kaum seine Tränen zurückhalten konnte.
»Ich würde es mir nie verzeihen, einen Mitplanetarier in einer derartigen Lage zurückzulassen«, fuhr Robin de Phart lächelnd fort. »Ich verfüge über genügend Mittel, um zwei Weltraumreisen bezahlen zu können. Sie können also Ihre Nebenbeschäftigung aufgeben – natürlich nur, wenn Sie in meiner Begleitung zum Sternenhaufen Neorop reisen möchten …«
Marti hatte sich sofort gefragt, ob dieses großzügige Angebot nicht mit einem Hintergedanken verbunden sei.
»Natürlich in allen Ehren«, hatte der Syracuser hinzugefügt, ein leicht spöttisches Funkeln in den Augen. »Schon seit langem habe ich den Freuden der Liebe entsagt. Die Einsamkeit ist schwer zu ertragen, und wenn ich von Ihnen etwas kaufe, so ist es das Vergnügen, mich mit Ihnen zu unterhalten. Doch leider kann ich hier nicht für Ihren Lebensunterhalt aufkommen. Deshalb müssen Sie bis zur Ankunft des Raumschiffs weiterarbeiten … Was halten Sie von meinem Vorschlag?«
»Und Sie … Was machen Sie in dieser Stadt?«
»Ich stehe auf dem Index unter der Rubrik ›Häretiker‹. Im Jahr 1 des Ang-Imperiums wurde ich zum Tod am Feuerkreuz verurteilt und verstecke mich nun seit fünfzehn Jahren vor den Interlisten und den Inquisitoren der Kirche des Kreuzes. Und weil die Freie Weltraum City die letzte Insel der Freiheit im All ist, habe ich mich logischerweise hierher geflüchtet. Ein Schmuggelschiff hat mich vor dreizehn Monaten hier abgesetzt, und inzwischen habe
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