Terror auf Stiles Island
erreichte als Erste das Ufer, blieb aber im Wasser stehen, um den anderen zu helfen. Agnes Till war die Letzte. Mit Ausnahme von Marcy brachen alle erschöpft am Ufer zusammen. Nachdem sie Agnes an Land gezogen hatte, sah Marcy zu den beiden dunklen Schatten vor dem Restaurant hinüber.
»Jesse?«, rief sie.
»Ich bin hier«, sagte er. »Leg dich flach auf den Boden und bleib liegen, bis ich’s dir sage.«
Macklin bewegte sich langsam rückwärts.
»Wissen Sie eigentlich, dass ich sie gevögelt habe?«, sagte er.
»Ihr Privatleben interessiert mich nicht«, sagte Jesse.
»Hatte Faye also tatsächlich recht«, sagte Macklin.
Er wich ein paar Schritte weiter zurück.
»Bleiben Sie, wo Sie sind«, sagte Jesse. »Ich hab keinerlei Probleme zu schießen.«
Macklin blieb stehen.
»Sie könnten zumindest etwas Sportsgeist beweisen«, sagte Macklin.
»Hab mit Sport nichts am Hut«, sagte Jesse.
»Sie könnten Ihren Revolver ins Holster stecken. Und dann sehen wir, wer zuerst ziehen kann. Die Frauen dürfen zuschauen.«
»Kein Interesse.«
»Okay, aber zumindest könnten Sie die Knarre etwas absenken, um zu sehen, ob ich trotzdem noch schneller ziehen und abdrücken kann.«
»Kein Interesse.«
»Haben Sie etwa Schiss vor einem kleinen Spielchen?«
»Ich muss nicht spielen«, sagte Jesse.
»Aber nur darum geht’s doch«, sagte Macklin. »Versuchen Sie mal Ihr Glück, Jesse. Schauen Sie dem Schicksal in die Karten.«
Jesse zuckte mit den Schultern.
»Ich werd’s nicht noch einmal sagen: Hände hinter den Kopf!«, sagte er.
»Ich war im Knast«, sagte Macklin. »Da werde ich kein zweites Mal landen.«
»Das ist Ihre Entscheidung«, sagte Jesse.
Als Macklins Hand zum Holster fuhr, drückte Jesse zwei Mal ab und traf ihn in die Brust.
Macklin sackte langsam zu Boden – ganz so, als würde sein Lebenslicht in Etappen erlöschen. Jesse ging hinüber und nahm die halb gezogene Waffe aus seiner Hand und warf sie weg. Macklin atmete nur noch unregelmäßig und schluckte mehrfach. Jesse kniete sich neben ihn. Macklin murmelte etwas, das Jesse nicht verstehen konnte. Er beugte sich näher zu ihm herunter.
»Faye«, sagte Macklin. »Ich will Faye.«
Jesse bemerkte, dass die Frauen inzwischen im Halbkreis hinter ihm standen. Seinem Befehl zum Trotz waren sie aufgestanden und nähergekommen. Sie starrten schweigend auf die beiden Männer. Der Geruch des Schießpulvers lag noch immer in der salzigen Luft.
Jesse legte seinen Finger auf die Schlagader an Macklins Hals. Er fühlte noch immer einen schwachen Puls. Und dann nicht mehr.
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66
Bevor Marcy in den Hubschrauber der Küstenwache stieg, nahm sie Jesse in den Arm und drückte sich so fest an ihn, als sei er ein Baumstamm in einem Taifun. Schließlich löste sie sich und kletterte mit den anderen Frauen in den Hubschrauber. Sie stiegen senkrecht hoch, zogen dann eine leichte Kurve, knatterten über den Hafen und landeten auf dem Footballplatz der High School, wo sie umgehend die Bekanntschaft mit Fernsehkameras und Blitzlichtern machten.
Das alles lag nun genau 36 Stunden zurück. Inzwischen hatte Marcy ausführlich mit Suitcase Simpson gesprochen und mit dem attraktiven Mann vom SWAT-Team, war von einem Arzt untersucht worden, hatte geduscht, fast 18 Stunden geschlafen, wieder geduscht, Kaffee und O-Saft getrunken, zwei weich gekochte Eier gegessen, dazu vier Scheiben Vollkorn-Toast mit fettarmem Aufstrich – und wartete nun ohne große Begeisterung darauf, etwas zu tun, von dessen Sinnhaftigkeit sie nicht unbedingt überzeugt war. Sie saß in einem Café des »Government Center« und wartete auf Jenn Stone.
Marcy erkannte sie sofort, als sie eintrat. Sie hatte mehrfach die Nachrichten auf Channel 3 eingeschaltet, um den Wetterbericht mit Jenn Stone zu sehen, und hatte dabei feststellen müssen, dass ihre meteorologische Kompetenz zwar hart gegen null tendierte, sie aber tatsächlich so attraktiv aussah, wie sie es vermutet hatte. Einige Leute im Café schienen Jenn zu erkennen, doch sie ließ sich – sollte sie es überhaupt registriert haben – nichts anmerken.
Marcy hob ihre Hand, als sich Jenn im Café suchend umschaute. Jenn sah sie und kam zum Tisch.
»Hallo«, sagte sie und streckte die Hand aus. »Ich bin Jenn.«
»Marcy Campbell.«
Jenns Händedruck war energisch und fest. Ihr ganzer Körper ließ das Wirken eines persönlichen
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