Terror auf Stiles Island
wenig, doch letztlich empfand sie diese Erkenntnis als eindeutig positiv: Zumindest wusste sie nun, dass es kein blondes Dummchen war, in das Jesse so hemmungslos verschossen war.
»Nein, muss ich nicht«, sagte Marcy. »Aber es wäre gut, wenn Sie es könnten.«
»Ich weiß, dass Jesse mich liebt«, sagte Jenn, »aber ich weiß auch, dass er sich manchmal zurücknehmen sollte, um mich nicht zu ersticken.«
»Besitzergreifend?«
»Kann man wohl sagen.«
»Komisch, mir gegenüber wirkte er gar nicht so«, sagte Marcy.
»Weil er in Sie auch nicht verliebt ist«, sagte Jenn.
»Hmm«, sagte Marcy.
Jenn schwieg.
»Ich hätte nichts dagegen«, sagte Marcy, »wenn ich mit Ihnen beiden befreundet sein könnte.«
»Kann mir nur schwer vorstellen, wie das funktionieren sollte«, sagte Jenn.
»Käme vielleicht auf einen Versuch an«, sagte Marcy.
»Was hätten Sie denn von dem Arrangement?«
»Eine Möglichkeit, mich bei ihm zu bedanken«, sagte Marcy.
»Und ich?«, sagte Jenn.
»Eine Freundin ist nicht das Schlechteste auf der Welt«, sagte Marcy.
Jenn aß ihre letzten Salatblätter und brach ein Stück Brot ab.
»Darf ich Sie anrufen?«, fragte Marcy.
Jenn aß das Brot ohne Butter.
Als sie es runtergeschluckt hatte, sagte sie: »Werden Sie Jesse davon erzählen?«
»Nein.«
Jenn lächelte Marcy an und nickte.
»Klar«, sagte sie. »Rufen Sie mich an.«
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67
Jesse hatte Faye aus der Zelle in sein Büro gebracht; Molly war ebenfalls anwesend.
»Du kannst ihr die Handschellen abnehmen, Molly.«
Molly nahm sie ab.
»Setzen Sie sich«, sagte Jesse.
Faye setzte sich. Ihr Gesicht war völlig ausdruckslos, ihre Augen leer. Jesse studierte für einen Moment die Unterlagen auf seinem Schreibtisch.
»Faye«, sagte er. »Wir haben Sie wegen Körperverletzung und Freiheitsberaubung festgenommen.«
Faye rührte sich nicht.
»Wollen Sie mir vielleicht erklären, was Sie mit der Aktion bezweckt haben?«, fragte Jesse.
Faye schüttelte den Kopf.
»Okay«, sagte Jesse. »Dann erklär ich’s Ihnen – und Sie können mir sagen, wenn ich damit falsch liege.«
Faye blieb stumm und bewegungslos. Molly lehnte an der Wand neben der Tür und gab ebenfalls keinen Mucks von sich. Wie immer schien der Revolver in ihrem Gürtel ein bisschen zu überdimensioniert für sie zu sein.
»Sie sind James Macklins Freundin.«
»War«, sagte Faye ausdruckslos.
»Und Sie sahen eines Abends im ›Gray Gull‹, dass ich mit Abby Taylor an der Bar stand. Und aufgrund ihres Verhaltens gingen Sie davon aus, dass sie meine Freundin sein müsse.«
Faye rührte sich nicht.
»Und als ich Sie dann besuchte und nach Macklin und Cromartie fragte, wussten Sie, dass das Ding aufStiles Island bereits am Laufen war – und da Sie Angst hatten, ich könne die Sache vermasseln, überfielen Sie Abby, um eine Geisel in der Hinterhand zu haben. Sollte ich Macklin schnappen, könnten Sie dann einen Kuhhandel vorschlagen: meine Freundin gegen Ihren Freund. Was Abby und mich betrifft, lagen Sie zwar falsch, aber das konnten Sie nicht wissen. Ihre Schlussfolgerung war durchaus nachvollziehbar.«
Faye saß regungslos auf dem Stuhl und schaute ins Nichts.
»Warum haben Sie’s getan?«, fragte Jesse.
Faye schaute ihn mit einem bohrenden Blick an. Es war die erste Reaktion, die er von ihr bekam.
»Was in Gottes Namen könnte denn wohl das Motiv gewesen sein?«, sagte sie.
»Dass Sie ihn liebten und alles getan hätten, um ihn zu retten.«
Faye war lange still, erwiderte aber Jesses Blick. In ihre Augen war wieder Leben zurückgekehrt. Sie begann langsam zu nicken.
»Ja«, sagte sie schließlich – und wiederholte es mit resoluter Stimme.
Jesse lehnte sich in seinem Drehstuhl zurück, schaukelte leicht und stieß sich dabei mit den Fußspitzen vom Boden ab.
»Haben Sie genug Geld?«, fragte Jesse.
Faye antwortete nicht.
»Sie hatte 1000 Dollar in ihrem BH, als ich sie hierher brachte«, sagte Molly.
Jesse nickte. Fayes Gesicht war inzwischen so ausdruckslos und wächsern, als stände sie unter Schock.
»Geh und hol ihr Geld«, sagte Jesse.
Molly starrte ihn für einen Augenblick an, verließ dann aber das Büro. Weder Faye noch Jesse sprachen ein Wort. Molly kam mit einem Umschlag zurück und reichte ihn Faye.
»Ich werd mit ihr einen kleinen Ausflug machen«, sagte Jesse.
»Allein?«, fragte Molly.
»Allein.«
»Mit einem weiblichen
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