Terror auf Stiles Island
Fahrstangenach unten. Das Fenster öffnete sich fast geräuschlos. Molly legte die Fahrstange auf den Boden und wartete. Kein Geräusch. Keine Bewegung. Vorsichtig näherte sie sich einer Ecke des Fensters und spähte hinein. Es war eine Waschküche. Die Tür auf der gegenüberliegenden Seite war geschlossen. Niemand befand sich in dem Raum. Molly drückte das Fenster ganz auf und kletterte hinein. Sie stand in der Waschküche und wartete. Das Haus war still. Doch dann hörte sie Schritte auf der Treppe über ihr. Sie bewegte sich nicht. Die Schritte entfernten sich. Sie konzentrierte sich darauf, die Geräusche weiter zu verfolgen, und kam zur Überzeugung, dass sie sich nicht getäuscht hatte: Jemand ging von einem Zimmer zum nächsten, um dort durchs Fenster zu schauen.
Neben der Waschmaschine kauerte sich Molly nieder, um Schuhe und Socken auszuziehen. Da ihre Hose nun zu lang war, rollte sie die Hosenbeine etwas hoch. Sie stand auf und nahm den Revolver aus dem Holster. Sie hatte noch nie auf einen Menschen gefeuert, war auf dem Übungsgelände aber immer eine treffsichere Schützin. Sie öffnete die Waschküchentür. Im Rest des Kellers war es merklich dunkler. Der Heizungskessel stand rechts, links hing ein Sicherungskasten, dahinter führte die Treppe zum Erdgeschoss. So geräuschlos wie möglich ging sie barfuß durch den Keller und dann die Treppe hinauf. Es war Vorschrift, den Revolver erst dann zu entsichern, wenn man tatsächlich schießen würde. Molly stand auf der obersten Stufe, atmete tief durch und versuchte ihren rasenden Puls unter Kontrolle zu bringen. Sie schaute auf ihren Revolver und entsicherteihn. Scheiß auf die Vorschriften . Sie griff nach dem Türknopf und spitzte noch einmal die Ohren. Die Schritte, diesmal langsam, schienen wieder näherzukommen. Sie gingen an der Tür vorbei und verschwanden in einem anderen Zimmer. Molly öffnete die Tür, trat gebückt hindurch und zielte mit dem Revolver in Richtung der Fußtritte.
Hell war es. Sie stand im Hausflur. Auf beiden Seiten der Haustür befanden sich Zierglas-Scheiben und die Sonne schien ungehindert hinein. Staubkörnchen tanzten im Licht. Molly konnte niemanden sehen. Sie befand sich noch immer in gebückter Stellung, beide Hände an der Waffe, den Zeigefinger am Abzug. Auch wenn das nicht so im Lehrbuch steht. Dann hörte sie ein Geräusch aus dem nächsten Zimmer. Sie bewegte sich langsam in die Richtung, fast wie in Trance. Sie fühlte nichts mehr, auch keine Furcht. Sie war so fokussiert, dass sie nichts anderes mehr wahrnahm. Im Wohnzimmer stand eine athletisch gebaute Frau mit blonden Haaren und sah zum Fenster hinaus. Sie trug einen schwarzen Trainingsanzug, weiße Turnschuhe und eine schwarze Tragetasche über der Schulter. Molly machte zwei geräuschlose Schritte ins Zimmer hinein, doch die Frau hatte sie trotzdem bemerkt. Noch halb in der Drehung griff sie nach ihrer Schultertasche.
»Keine Bewegung! Polizei«, sagte Molly. Sie machte ein paar Schritte nach vorne, griff die Frau an ihren Haaren, presste die Mündung ihres Revolvers gegen ihren Nacken und drückte die Frau gegen die Wand.
»Rühren Sie nicht einen verdammten Muskel«, sagte Molly.
Sie war nicht gerade glücklich, dass ihre Stimme so klang, als habe sie einen Kloß im Hals. Doch die Frau verharrte regungslos in ihrer Position.
»Wie heißen Sie?«, fragte Molly.
»Faye.«
»Okay, Faye. Sie lassen jetzt Ihre Tasche von der Schulter gleiten.«
Faye tat, wie ihr befohlen. Die Tasche fiel auf den Boden. Mit ihrem linken Fuß stieß Molly die Tasche weg.
»Verschränken Sie die Hände hinter dem Kopf«, sagte Molly.
Sie zog ihren Revolver ein Stück zurück, damit die Frau ihre Hände in den Nacken legen konnte. Als ihre Hände verschränkt waren, packte sich Molly mit einem festen Griff ihre beiden kleinen Finger. Mit der anderen Hand schob sie ihren Revolver – noch immer entsichert – ins Holster, nahm die Handschellen vom Gürtel und legte sie Faye an. Sie trat einen Schritt zurück und holte ihren Revolver wieder aus dem Holster. Schließlich wusste sie nicht, ob Faye noch einen Komplizen hatte.
»Wo ist Abby, Faye?«, fragte sie.
Faye, ihr Gesicht noch immer gegen die Wand gepresst, sagte: »Oben.«
»Ist sie okay?«
»Ja.«
»Dann sollten wir sie mal besuchen. Sie zuerst.«
Sie gingen langsam die Treppe hoch und kamen zum Schlafzimmer, wo Abby mit Handschellen an ihr Bett gekettet war. Molly bemerkte, dass Tränen über Fayes Gesicht
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