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Terror von Rechts

Terror von Rechts

Titel: Terror von Rechts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Gensing
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»Manifests«, das Breivik verbreitet hatte, sowie den jahrelangen Vorbereitungen und der medialen Selbstinszenierung eine recht gewagte These. Sicherlich, in gewisser Hinsicht war Breivik wahnsinnig – doch Wahnsinn und Ideologie schließen sich keineswegs aus, ergänzen und bedingen sich bisweilen optimal. Zumindest dies sollte das 20. Jahrhundert gezeigt haben. Breiviks ideologischer Hintergrund lässt sich exakt bestimmen – er gehörte zu den sogenannten Rechtspopulisten der antimuslimischen Sekte im Netz, die nicht gegen Ethnien hetzt, sondern, viel eleganter, gegen eine Religion – und sich somit mit vermeintlich aufklärerischen Absichten tarnen konnte.
    In Deutschland beleidigte Ende 2008 Alex W., ein Russlanddeutscher, der auch auf NPD-Demos mitmarschierte, auf einem Spielplatz in Dresden zunächst die 31-jährige Marwa E. als »Terroristin«, »Schlampe« und »Islamistin«. Marwa E. zeigte ihn an, Alex W. wurde zu einer Geldstrafe verurteilt. Bei der Berufungsverhandlung erstach der Rechtsextremist die schwangere Frau im Gerichtssaal, der Ehemann wollte Marwa noch helfen, doch ein Polizist hielt offenbar den Ägypter für den Täter – und schoss ihm ins Bein. Eine tragische Geschichte, die viel erzählt über die Wahrnehmung von Bedrohung in Deutschland.
    In der Öffentlichkeit dominierten derweil die Berichte über den linken oder islamistischen Terrorismus – exakt bis zum 11. November 2011. Anfang November, also wenige Tage vor der Mitteilung der Sicherheitsbehörden, die braune Terrorzelle sei entdeckt worden, erzielte der Suchbegriff »Linksterrorismus« stattliche 302000 Ergebnisse bei der
Google
-Suche – und 57 bei
Google News
. Obwohl zu diesem Zeitpunkt bereits bekannt war, dass der Mord an der Polizistin Michèle Kiesewetter in Heilbronn von Neonazis verübt wurde, brachte es der »Rechtsterrorismus« auf ganze 17 Ergebnisse bei
Google News
– und 44 300 bei der
Google
-Suche. Der Begriff »islamistischer Terrorismus« übertraf aber alles: 1,8 Millionen Treffer im Web und nicht weniger als 622 Ergebnisse bei
Google News
(was mit der internationalen Bedrohung durch dieses Phänomen erklärt werden kann, wie zahlreiche Anschläge mit Tausenden Toten grausam gezeigt haben). Spannend bleibt aber die Wahrnehmung in der deutschen Öffentlichkeit, was einen möglichen rechten Terror angeht, der schlicht für unmöglich gehalten wurde – obgleich sämtliche Voraussetzungen dafür längst erfüllt waren. Der Autor schrieb an diesem Tag auf
Publikative.org
:
    »Ein weiterer Brandanschlag auf ein Jugendzentrum in Berlin. Ein
NaziLeaks
, das zeigt, wie militante Neonazis in Sachsen im Windschatten der NPD ihre Aktionen ungestört planen, während die sächsischen Behörden bei Pfarrern, die gegen Nazis demonstrieren, Razzien durchführen. Ein mutmaßlicher Skandal um Polizistenmörder, die offenbar bereits zehn Jahre zuvor als Neonazis mit Sprengstoff aufgefallen waren – aber nie dingfest gemacht wurden, obwohl sie über Jahre in Zwickau lebten. Dazu regelmäßig Meldungen über Razzien bei Neonazis, bei denen Waffen ausgehoben werden. Rechtsextreme Hetze, Drohungen und offene Gewaltaufrufe im Netz. Ein Attentäter in Norwegen, der ein Massaker an Jugendlichen plant und eiskalt durchführt, weil diese jungen Menschen Sozialdemokraten waren. Und worüber diskutiert die Politik und Journaille im deutschen Herbst 2011? Über angeblich ausufernde Fußballrandale – und die Gefahr eines neuen Linksterrorismus.«
    Brandanschläge auf Bahnanlagen in Berlin und Brandenburg hatten in den Wochen zuvor bundesweit eine Debatte über eine vermeintliche neue RAF ausgelöst. Viele Journalisten lieben offenbar den Grusel, den die rote Terrorgefahr mit sich bringt. Doch sogar der Verfassungsschutz widersprach, ein neuer Linksterrorismus sei nicht zu erkennen; die Bahn teilte mit, es habe keine Gefahr für Passagiere bestanden. Anschläge auf die Infrastruktur sind definitiv eher terroristisch als parkende Autos, die in Brand gesteckt werden (diese wurden ebenfalls bereits zur Vorstufe des Terrors hochgeschrieben) – doch ist eine unbekannte und komplett isolierte Gruppe, die sich in einem kruden Schreiben zu den Taten bekannte, noch lange keine neue RAF. Kurz vor dem Papstbesuch Anfang September 2011 hatten die bundesdeutschen Medien dann vermeldet, zumeist als Aufmacher, die Polizei habe einen Terroranschlag vereitelt. Später stellte sich heraus: Die zwei Verdächtigen, die nach sieben Wochen in

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