Terror von Rechts
Option der rechtsextremen Aktionsformen. Daher tun sie sich auch bei der Etablierung fester Strukturen sehr schwer. Zwar verfügt die rechtsextreme Bewegung über eine Reihe von Immobilien, auch zahlreiche Geschäfte gibt es, doch der öffentliche Widerstand dagegen wirft sie immer wieder zurück, kostet Zeit, Geld und Kraft. Auch hier zeigt sich, dass das Verhalten oder Nichtverhalten der Mehrheitsgesellschaft beim Kampf gegen die Neonazis entscheidend ist. Nicht umsonst bauten die Rechtsextremisten beispielsweise in Thüringen ihre Strukturen aus. Dort herrschte eine gefährliche Gleichgültigkeit, wie es der Journalist Thilo Schmidt über die »netten braunen Nachbarn« beschrieb. Zudem fiel die dortige Landesregierung über Jahre durch ein besonders konsequentes Ignorieren und Verharmlosen des Problems auf.
Somit befindet sich die rechtsextreme Bewegung zurzeit in einer entscheidenden Phase. Entweder kann sie sich institutionalisieren und zu einem festen Bestandteil der bundesrepublikanischen Gegenwart und Zukunft werden, oder sie verschwindet allmählich wieder, weitere Kader wandern wegen der Perspektivlosigkeit in den terroristischen Bereich, andere ziehen sich gänzlich zurück, wieder andere werden moderater und schließen sich bürgerlichen Organisationen an.
Die rechtsextreme Bewegung strebt keinen Wandel der etablierten Strukturen an, sondern deren komplette Vernichtung. Und daher gehen bei dem Eintritt in die Realpolitik, beispielsweise nach dem Einzug in die Parlamente, große Teile der ursprünglichen Zielvorstellungen sofort verloren. Denn um langfristig in den Parlamenten vertreten sein zu können, müssen die Rechtsextremisten Kompromisse eingehen, nur durch Provokationen und Radau ist kein langfristiger Erfolg möglich. Die Pluralität, die soziale Bewegungen in ihren aktivsten Phasen kennzeichnet, lässt sich institutionell nicht oder nur sehr schlecht beibehalten. Allerdings sehen viele NPD-Funktionäre die Parlamente sowieso hauptsächlich als Bühne für ihre Propaganda. Sacharbeit liegt auch nicht im Interesse der NPD, da diese für den Zusammenhalt der Bewegung gar nicht förderlich wäre.
Was die Situation für die rechtsextreme Bewegung erleichtert: Es gibt ein klares gemeinsames Ziel, das »System soll abgewickelt werden«, wie es der langjährige NPD-Chef Udo Voigt formulierte. Stattdessen solle eine Volksgemeinschaft installiert werden – »Volk« und »Gemeinschaft« sind besonders in rechten Kreisen positiv besetzt –, der Begriff lässt genügend Raum für eigene Interpretationen, und die Konsequenzen aus einem solchen gesellschaftlichen Modell werden nicht sofort ersichtlich. Auch hier liegt es also an der Zivilgesellschaft, ob diese Strömungen Erfolg haben können. Solange die gesellschaftliche Isolation aufrechterhalten wird, erscheint es ausgeschlossen, dass die rechtsextreme Bewegung sich dauerhaft etablieren kann. Doch es hat sich in ostdeutschen Regionen bereits gezeigt, dass viele die NPD als eine normale Partei ansehen, deren Positionen gesellschaftsfähig werden. Somit konnte die rechtsextreme Bewegung zu einem regionalen Machtfaktor werden. Weitere Regionen sollen folgen. Doch die Zivilgesellschaft formiert sich zunehmend – und so muss die NPD mittlerweile selbst in der tiefsten Sächsischen Schweiz mit Protesten gegen ihre Veranstaltungen rechnen. Der NSU-Terror hat die Partei weiter in die Defensive gedrückt, strategisch steckt sie fest. Öffentlich muss sie sich von jeder Gewalt distanzieren, doch ihre Basis, ohne die sie nicht leben kann, feierte und feiert die Mordserie teilweise ganz offen. Das ist kein Wunder, denn NPD und NSU sind unterschiedliche Teile ein und derselben Bewegung.
Das braune Netz
»Vielen Dank an den NSU, es hat Früchte getragen – Der Kampf geht weiter …« Dieser Gruß stand fettgedruckt und deutlich hervorgehoben mitten im Vorwort der Ausgabe Nummer 18 des neonazistischen Fanzines
Der Weisse Wolf
, wie das Antifaschistische Pressearchiv und Bildungszentrum (apabiz) Anfang 2012 berichtete. Ein Gruß, der damals nicht weiter aufgefallen war, aber heute Fragen aufwirft. Durch einen Hinweis stieß das apabiz nach eigenen Angaben in dem neonazistischen Szeneblatt auf den bemerkenswerten Gruß »an den NSU«. Der kurze Satz erschien bereits in der ersten Jahreshälfte 2002, als die Öffentlichkeit noch nichts von der Terrorzelle des Nationalsozialistischen Untergrunds ahnte, sondern nach »kriminellen Ausländern« suchte, die sich
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