Terror von Rechts
er in einem Neonazi-Forum: »Es gibt Nationalsozialisten in der NPD, und es wird die Zeit kommen da wir vielleicht eine ernstzunehmende NS-Partei haben werden. Das liegt jedoch in weiter Ferne, so lange kämpfe ich mit der Waffe die für mich am sinnvollsten ist. Das ist für mich zurzeit die NPD.«
Die NPD kann nicht isoliert von der rechtsextremen Bewegung betrachtet oder bekämpft werden. Sie ist ein Teil dieser, muss auf Befindlichkeiten Rücksicht nehmen, wird getrieben, nimmt Einfluss. Und die NPD besteht aus sehr unterschiedlichen Aktivisten, einige sehen sich als Parteisoldaten, andere nutzen die NPD als »Waffe«, wieder andere wollen im Landtag Karriere machen. Das bedeutet: Es gibt nicht »die« NPD. Zwar hat die Partei nur noch rund 6000 Mitglieder, diese bilden aber keinesfalls eine homogene Gruppe.
Das höchst unterschiedliche Auftreten von Partei und ihren Anhängern schafft immer wieder Verunsicherung bei vielen demokratischen Kräften. Denn die Rechtsextremisten eigneten sich in den vergangenen Jahren typische Aktionsformen der sozialen Bewegungen an, neben Demonstrationen auch Flugblattaktionen oder Mahnwachen. Für jeden Anlass die passende Form des Auftretens. Und zu jedem Anlass die passenden Inhalte. Die Neonazis treten als politische Chamäleons auf, weil sie auf das reichhaltige Repertoire einer sozialen Bewegung zurückgreifen können.
Neben den vier oben aufgeführten Dimensionen wäre es sinnvoll, das Modell einer sozialen Bewegung noch um eine andere zu erweitern: die Mehrheitsgesellschaft, die Sympathisanten produziert, aus denen Unterstützer, Basisaktivisten und schließlich Bewegungseliten hervorgehen. Neonazis fallen nicht vom Himmel, sie kommen aus der Gesellschaft. Und daher liegt hier auch der Schlüssel für die Bekämpfung des Rechtsextremismus. Der zivilisatorische Zustand und das Verhalten oder Nichtverhalten der Mehrheitsgesellschaft entscheidet über die Entstehung und den Erfolg einer sozialen Bewegung.
Der Sozialwissenschaft zufolge durchlaufen soziale Bewegungen in der Regel mehrere Phasen: Zunächst wird ein Thema formuliert, das zumeist das Bestehende ablehnt. Dies entspricht bei der rechtsextremen Bewegung dem tiefverwurzelten Rassismus in Deutschland, der sich in Hetze und Gewalt entlädt. Die Brandanschläge und pogromartigen Überfälle auf Asylanten in den neunziger Jahren waren die Initialzündung für die Bewegung.
Darauf folgt die Formierung, aus einzelnen Personen und örtlichen Cliquen werden Initiativen, Gruppen und Verbände, wobei es zu Kooperationen, Allianzen, aber auch Gegnerschaften kommt. Dies war ebenfalls ab den Neunzigern zu beobachten, wobei sich die NPD als führende Organisation durchgesetzt hat. Die entscheidende Stärke der NPD bei der Suche nach einer neuen Strategie war ihre Schwäche, die Partei war praktisch tot – eine Neuausrichtung daher leicht durchzusetzen. Der Partei nutzten dabei die Vereinsverbote in den neunziger Jahren und im neuen Jahrtausend: Als Kleinstgruppen eine neue organisatorische Heimat benötigten, da ihre Strukturen zerschlagen worden waren, stand die NPD bereit, nahm die Neonazis auf und gewann so eine aktionistische Basis. Die NPD mutierte vom Altherrenverein zu einer aktionistischen Dachorganisation des »Nationalen Widerstands«.
Im weiteren Verlauf der sozialen Bewegung führen die Organisationen und Zusammenschlüsse regelmäßig und kontinuierlich Aktionen und Aufmärsche durch, halten Mahnwachen ab. Dieses ist bereits seit Jahren zu beobachten, die Aktionen stellen ohnehin einen elementaren Teil der rechtsextremen Erlebniswelt und Strategie dar. Im Laufe dieser Entwicklung treten mitunter charismatische Anführer auf – dies fehlt der NPD und der rechtsextremen Bewegung weitestgehend. Mit Holger Apfel steht zwar ein geschickter Stratege an der Spitze der NPD, ein Volkstribun sieht aber anders aus, und Apfels Redekünste erscheinen ebenfalls begrenzt.
Dem wissenschaftlichen Modell zufolge werden in den Organisationen der Bewegung Alternativen zur derzeitigen Gesellschaftsordnung formuliert und die Etablierung der Bewegung im Alltag angestrebt.
Hat sich eine soziale Bewegung etabliert oder wurden die wichtigsten Anliegen in das öffentliche Bewusstsein gebracht, löst sich das Ganze langsam wieder auf und zerfällt, was sich an der ehemaligen linken sozialen Bewegung beobachten lässt. Einige Akteure stiegen zu etablierten Meinungsführern auf (oder aus Sicht der ehemaligen Genossen: ab), andere schlugen
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