Terror von Rechts
vermeintlich gegenseitig umbringen würden. Fest steht: Die Buchstaben NSU waren bislang kein bekanntes Kürzel in der Szene, sie standen in der großen Öffentlichkeit bislang für die NSU-Motorenwerke, die in den vergangenen Jahren aber zunehmend in Vergessenheit geraten sind, wie bereits die Namenswahl der Terroristen zeigt. Sie hätten sich wohl kaum nach einem alten westdeutschen Automobilhersteller benannt, wenn ihnen der Name geläufig gewesen wäre. Die Publikation könnte zu einem Fundstück passen, das Ermittler laut
Spiegel Online
im Brandschutt der Zwickauer Frühlingsstraße sicherstellten, dem letzten Versteck des Neonazi-Trios. Dort waren Fahnder auf einen Datenträger gestoßen, der eine am 5. März 2002 erstellte Datei namens »nsu. brief« enthielt. Unter anderem heißt es in der Datei: »Der Nationalsozialistische Untergrund verkörpert die neue politische Kraft im Ringen um die Freiheit der Deutschen Nation. […] Getreu dem Motto ›Sieg oder Tod‹ wird es kein Zurück geben.« Das Schreiben endet mit einem Verweis auf Fanzines als möglichen Kommunikationsweg: »Der NSU wird niemals durch eine Kontaktadresse oder Nummer erreichbar sein, was aber nicht bedeutet, dass er unerreichbar ist. Internet, Zeitungen und Zines sind gute Informationsquellen – auch für den NSU.« 34
Der Hinweis im
Weissen Wolf
ist bislang, Stand April 2012, die erste bekannte Verwendung des Kürzels in der Neonazi-Szene. Entstanden war
Der Weisse Wolf
laut apabiz bereits 1996 als »Rundbrief inhaftierter Kameraden der ›Justizvoll-zugsanstalt‹ Brandenburg«, das Heft entwickelte sich über die Jahre zu einem zentralen Fanzine für Mecklenburg-Vorpommern. Dass der
Weisse Wolf
bestens in der Szene vernetzt gewesen ist, zeigen die vielfältigen Anzeigen für Neonazi-Läden und -Versandhäuser sowie Interviews mit Bands. Auffällig dabei, schreibt das apabiz, sei die häufige Bezugnahme auf Bands und Autoren aus dem Umfeld von Blood & Honour (auch noch nach dem Verbot von Blood & Honour im Jahr 2000) und Combat 18. Ebenso berichtete »Eihwaz«, der ab 2000 als Herausgeber auftritt, regelmäßig über Treffen der HNG (Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige).
Und wie so oft, wenn es um den NSU und das Unterstützernetzwerk geht, so gibt es auch hier eine Verbindung zur NPD. Denn der heutige Abgeordnete der NPD im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern, David Petereit, spielte eine zentrale Rolle beim
Weissen Wolf
. Er meldete um das Jahr 2000 die Internetseite der Publikation an, wie ein Auszug der Internet-Registrierstelle Denic belegt, den das apabiz veröffentlicht hat. Herausgeber war zu dieser Zeit oben erwähnter »Eihwaz« – ein Pseudonym, das zumindest bei einem Hackerangriff im Jahr 2002 Petereit zugeordnet werden konnte. In der gehackten Datenbank wurde Petereit mit der Usernummer 10 geführt, der Username lautete »Eihwaz« – und auch die E-Mail-Adresse wurde mit eihwaz(at)web. de angegeben. Die Verbindungen werden aber noch deutlicher, denn später wurde David Petereit namentlich als Verfasser und Hersteller des Fanzines angegeben. Der NPD-Landtagsabgeordnete wollte sich auf Anfragen nicht zu der Sache äußern, die Partei veröffentlichte lediglich eine knappe Pressemitteilung, wonach ihm der Textabschnitt aus der Ausgabe Nr. 18 des
Weissen Wolfs
aus dem Jahre 2002, in dem in einer Zeile der Begriff »NSU« erschien, weder »bekannt noch erinnerlich« sei. Er habe, so Petereit weiter, das Fanzine erst ab der Ausgabe 20 als presserechtlich Verantwortlicher betreut. Das war allerdings schon längst belegt; inwieweit er aber bereits zuvor in die Herstellung und Verbreitung des Szenehefts involviert war, ließ Petereit offen. Kein Wunder, denn in der Ausgabe 20 heißt es im Vorwort, die Zusammenarbeit zwischen dem Fanzine
Freyja
mit dem
Weissen Wolf
habe sich über Jahre bewährt und werde sicher in Zukunft noch optimiert. Darunter steht als Impressum: »Verfasst und hergestellt von David Petereit«. Mit anderen Worten: Petereit arbeitete demnach bereits seit Jahren mit dem
Weissen Wolf
zusammen. Die Brisanz des Materials scheint auch der NPD klar zu sein, und so schob sie einen Tag nach der dürftigen Erklärung Petereits noch eine Mitteilung nach, in der sie behauptete, eine führende Rolle bei dem Fanzine habe »offensichtlich ein gewisser Carsten Szczepanski gespielt. Er war wegen einer schweren Straftat bis 1997 in der JVA Neubrandenburg inhaftiert und kam überraschend
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