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Terror von Rechts

Terror von Rechts

Titel: Terror von Rechts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Gensing
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aus dem überragenden kreativen Potential der untergehenden Bewegung nicht politisches Kapital, sondern Profit, wieder andere schufen alternative Strukturen, viele gaben auf und arrangierten sich schlicht mit den Begebenheiten. Zudem wurden zentrale Anliegen der linken sozialen Bewegung, beispielsweise Umweltschutz und Gleichberechtigung, in abgeschwächter Form Teile der Mehrheitsgesellschaft. Erfolge begünstigen also auch das Ende von sozialen Bewegungen. Je mehr Vorhaben durchgesetzt oder zumindest in das öffentliche Bewusstsein gebracht werden, desto weniger verbindende Ziele bleiben übrig.
    Doch hier kommt die rechtsextreme Bewegung nicht wirklich weiter. Sie kämpft, zumeist erfolglos, um ihren Platz in der Gesellschaft. Es herrscht Stagnation, vor allem was die Zahl der Akteure und die Infrastruktur angeht. Gleichzeitig sind ihre Lieblingsthemen längst im öffentlichen Bewusstsein vorhanden. In der Sarrazin-Debatte spielte die NPD nur eine Rolle, als Sarrazin sie und ihre Anhänger benutzte, um sich selbst als bürgerlichen Biedermann präsentieren zu können. Auch die rechtsextremen Einstellungsmuster in der Bevölkerung bringen die rechtsextremen Akteure kaum weiter – sie kommen an diese Leute nicht heran, um sie für ihre politische Arbeit zu begeistern. So werden offen auftretende Rechtsextremisten größtenteils gesellschaftlich isoliert, in den meisten Gegenden der Bundesrepublik herrscht Konsens, dass solche Leute als Gesprächspartner oder für politische Ämter vollkommen inakzeptabel sind. Nur vereinzelt wird dieser Ausschluss durchbrochen. Weiterhin hat die rechtsextreme Bewegung, wie bereits angeführt, bisher keine charismatischen Führer hervorgebracht. Zudem konnte sie bislang keinen Einfluss auf gesellschaftliche Institutionen wie Gewerkschaften oder Kirchen gewinnen, daher versuchen ihre Kader, in Bürgerinitiativen oder Sportvereinen Fuß zu fassen – beziehungsweise sie sind längst Teil der Stadt- oder Dorfgemeinschaft und versuchen möglicherweise, dort politischen Einfluss auszuüben. Eine gezielte flächendeckende Unterwanderung von ganzen Vereinen oder sogar sozialen Netzwerken ist indes unrealistisch, diese Vorstellung basiert darauf, Neonazis kämen von außen und drängten in die intakte Gesellschaft ein. Vielmehr stellt sich die Realität so dar, dass Rechtsextreme längst Teil dieser Gesellschaft sind, es sind Nachbarn oder Bekannte und nicht irgendwelche Reisekader, die sich heimlich einschleichen. Sie gehören im Schützenverein, in der Freiwilligen Feuerwehr oder im Fußballverein schlicht dazu – und solange sie keine parteipolitische Agitation betreiben oder das Engagement beispielsweise eines NPD-Funktionärs, der gleichzeitig Jugendtrainer ist, von außen nicht thematisiert wird, passiert zumeist nichts.
    Auf der lokalen Ebene stehen die Chancen, die Isolation zu durchbrechen, besonders gut. Aber auch aus Bürgerinitiativen werden Neonazis oft wieder ausgeschlossen, wenn sie sich offen als solche zu erkennen geben und dies von außen kritisiert wird; ohnehin bleibt die Wirkung von solchen Initiativen örtlich sehr begrenzt. Hinzu kommen die ewigen Debatten in der rechtsextremen Bewegung über die passende Strategie, hier fehlen fähige Köpfe, die neue Perspektiven entwickeln können. Rassismus und NS-Nostalgie verhindern neue Ansätze, zudem verschlechtern jährlich Hunderte Gewalttaten von rechtsextremen Schlägern weiter das öffentliche Ansehen. Gewalt wird zwar von den Bewegungseliten offiziell abgelehnt, allerdings hauptsächlich aus strategischen Gründen. Ein Recht auf Notwehr, oder was man unter diesem Begriff alles subsumiert, hält man sich immer offen, die Gewalt von Neonazis wird in solchen Fällen legitimiert. So auch nach dem Aufmarsch am 1. Mai 2008 in Hamburg, als Neonazis mehrere Journalisten angegriffen hatten. Hierzu schrieb NPD-Bundesvorstand Frank Schwerdt an den Autor: »Gewalt erzeugt oft auch Gegengewalt, und das ist offenbar in Hamburg passiert. Auch Schreibtischtäter können mit ihren Worten und Werken gewalttätig werden.«
    Die Journalisten haben also selbst Schuld. Das ist besonders bemerkenswert, da sich die Rechtsextremisten immer wieder gern als Verfechter der Meinungsfreiheit aufspielen. So polemisieren sie gegen den Paragraph 130, der das Hetzen gegen Bevölkerungsteile, die Aufstachelung zum Rassenhass und die Verhöhnung der Opfer des NS-Terrors durch die Holocaust-Leugnung unter Strafe stellt. Die Gewalt bleibt also stets eine

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