Terror von Rechts
Dadurch werden auch die Einstellungen gegenüber der Demokratie und die Akzeptanz von Gewalt geprägt. Die Ziele des Rechtsextremismus sind generell antidemokratisch.« 83
Der Begriff »Linksextremismus« ist wissenschaftlich bislang nicht einheitlich definiert worden, denn dieser Bereich umfasst sehr unterschiedliche Weltanschauungen. Neugebauer betont, der linken Seite widmeten sich Sozialismusforschung, Kommunismusforschung, Revolutionsforschung, Bewegungsforschung, Anarchismusforschung und anderes mehr. »Wir packen all diese Richtungen aber nicht in eine große Schublade, auf der »Linksextremismus« steht, wie es etwa der Verfassungsschutz tut.«
Bei den Extremismustheoretikern gibt es hingegen nur eine Schublade, den »Extremismus« – und unterschiedliche »Spielarten«, beispielsweise »Extremismus von rechts«. Dazu führte der Extremismus-Forscher Eckhard Jesse noch die Unterscheidung zwischen »weichem« (Linkspartei) und »hartem« (NPD) Extremismus ein. Wissenschaftliche Kriterien und vor allem der Erkenntnisgewinn bleiben dabei weitestgehend im Dunkeln.
»Die Totalitarismustheorie – und die aktuellere Variante der Extremismustheorie – eskamotieren, um partielle Gemeinsamkeiten zwischen Kommunismus und Nationalsozialismus herauszustellen, deren grundlegende Wesensunterschiede«, urteilt der Politikwissenschaftler Christoph Butterwegge. »Dass sich die neue Bundesregierung erneut auf die ausgetretenen Pfade der Totalitarismus- und aktueller: der Extremismustheorie begibt, hat primär politisch-strategische Gründe. Denn auf diese Weise maßt sich eine fiktive ›politische Mitte‹ an, konkurrierende Positionen links und rechts von ihr als ›undemokratisch‹ zu stigmatisieren und so vom demokratischen Diskurs auszugrenzen.« 84
Auch Neugebauer vertritt eine sehr konkrete Position zur Extremismusklausel, diese sei »kompletter Unsinn, denn sie verlangt eine politische Gehorsamsleistung. Wenn man sie ernst nimmt, müssten alle Initiativen sich und ihre Kooperationspartner vom Verfassungsschutz überprüfen lassen. Allerdings stünden dafür nur die bekannten und wissenschaftlich untauglichen Kriterien zur Verfügung.« 85
Miro Jennerjahn, Abgeordneter der Grünen im sächsischen Landtag und einst beim Netzwerk für Demokratische Kultur aktiv, meint: »Wer einen Blick auf das hinter der Extremismus-Theorie stehende Staatsverständnis wirft, stellt schnell fest, dass es durch und durch etatistisch angelegt ist. Überspitzt formuliert: Weil dem Staat eine demokratische Verfassung zugrunde liegt, ist in dieser Logik auch jedwedes staatliche Handeln gut. Kritik am Handeln des Staates gerät dann schnell unter den Generalverdacht extremistisch zu sein, weil die Differenzierung zwischen konkretem staatlichen Handeln, das nicht zwingend demokratisch sein muss, und der zugrunde liegenden Verfassung nicht mehr vorgenommen wird. Wir hatten in den letzten Jahren in Sachsen Fälle, dass zivilgesellschaftliche Vereine, die sich gegen Rassismus engagieren und in diesem Zusammenhang im Hinblick auf staatliches Handeln im Umgang mit AsylbewerberInnen von institutionellem Rassismus sprachen, Probleme mit der vom Freistaat gewährten Förderung bekamen. In Frage gestellt wurde in diesem Zusammenhang, ob sich die Vereine auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung bewegen würden.« 86
Diese Frage wurde bei den Vertriebenenorganisationen hingegen nicht gestellt. Obwohl seit Jahrzehnten öffentliche Gelder fließen, müssen sie keine Klausel unterzeichnen. Dabei gibt es hier, ganz im Gegensatz zu den Initiativen für Demokratie und gegen Rechtsextremismus, handfeste Hinweise auf verfassungsfeindliche Bestrebungen. Beispielsweise bei der Landsmannschaft Schlesien, die mit der Schlesischen Jugend kooperierte, obgleich bekannt sein musste, dass in dieser Nachwuchsorganisation der Vertriebenen Rechtsextreme einflussreich aktiv waren. Zudem zeigte die Landsmannschaft selbst, welchen Geistes Kind man ist. Im Jahr 2001, als der NSU gerade seine ersten Morde beging, trat der damalige Innenminister Otto Schily (SPD) bei den Schlesiern auf. Es kam zum Eklat. Die
Süddeutsche Zeitung
fragte damals: Wohin war Schily geraten?
»Auf einen Parteitag der NPD oder der DVU? In ein Nest von Skinheads? Nein, Innenminister Otto Schily war Gast des Schlesier-Treffens in der Nürnberger Frankenhalle. Mehrere tausend überwiegend ältere Menschen hatten sich eingefunden, und ein großer Teil von ihnen wollte dem
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