Terror von Rechts
Beschäftigungsverhältnis des Journalisten beim Göttinger Lokalradio selbst als »Erkenntnis« dem Verfassungsschutz gemeldet hatte und der Verfassungsschutz Buch führte über die Demonstrationen, an denen der Journalist teilnahm. Dieses skandalöse Vorgehen der Göttinger Polizei und des Verfassungsschutzes kam ans Tageslicht, nachdem der Redakteur ein Auskunftsersuchen bei verschiedenen Behörden gestellt hatte. Anlass hierzu war das Vorgehen der Staatsanwaltschaft Dresden und des Landeskriminalamtes Sachsen im Februar 2011, die bei Protesten gegen Neonazis die Daten von Hunderttausenden Mobiltelefonaten erfassten. Angesichts dieses »Handygate« sprach der sächsische Datenschutzbeauftragte von einem unverhältnismäßigen Eingriff in die Grundrechte. In Reaktion auf das Auskunftsersuchen teilte der niedersächsische Verfassungsschutz mit, der Inlandsgeheimdienst habe die »Erkenntnis«, dass der Journalist seit dem Jahr 2000 bei dem Lokalradio arbeite und an drei Demonstrationen in Göttingen teilgenommen habe.
Für die Gewerkschaft ver.di ein alarmierendes Signal: »Die Beschäftigung unseres Kollegen beim Lokalradio als ›polizeiliche Erkenntnis‹ zu präsentieren ist ein ungeheuerlicher Vorgang. Dass der Journalismus vom Bundestag als ein besonders ›schützenswerter Beruf‹ eingestuft wurde, ist bei der Göttingen Polizei offenbar unbekannt. Dass nun die Ausübung seines Berufs für den Kollegen zu ständig erweiterten Einträgen in einer Verfassungsschutzakte führt, weckt ungute Erinnerungen an längst vergangene Zeiten. Solch eine Überwachung eines Journalisten bei der Arbeit bedroht die Pressefreiheit und ist absolut inakzeptabel«, so Patrick von Brandt, Gewerkschaftssekretär bei ver.di in Göttingen. Offenbar reicht es also bereits, als Fachjournalist zum Thema Neonazis zu arbeiten, um ins Visier des Verfassungsschutzes zu geraten. Der Journalist wird so kriminalisiert – seine Arbeitsgrundlage kann zerstört werden.
Auch die Arbeit von den Initiativen für Demokratie wurde in den vergangenen Jahren massiv behindert und erschwert, unter anderem durch die Ungewissheit, ob weiterhin Fördermittel zur Verfügung stehen sowie durch die Demokratieklausel. Experten, Wissenschaftler, Initiativen und Opposition in Land- und Bundestag forderten daher immer wieder die Rücknahme der Klausel, denn der Zwang für die betroffenen Initiativen, eine Demokratieerklärung zu unterschreiben und mit ihr dafür Sorge zu tragen, dass auch sämtliche Kollegen, Referenten und Kooperationspartner sich zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung bekennen, forciert ein gesellschaftliches Klima des Misstrauens. Und das ist genau das Gegenteil von dem, was nötig wäre, um Menschen zu ermutigen, sich zu engagieren.
Die Demokratieerklärung:
Hiermit bestätigen wir, dass wir
– uns zu der freiheitlichen-demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland bekennen und
– eine den Zielen des Grundgesetzes förderliche Arbeit gewährleisten.
Als Träger der geförderten Maßnahmen haben wir zudem im Rahmen unserer Möglichkeiten (Literatur, Kontakte zu anderen Trägern, Referenzen, die jährlichen Verfassungsschutzberichte des Bundes und der Länder etc.) und auf eigene Verantwortung dafür Sorge zu tragen, dass die als Partner ausgewählten Organisationen, Referenten etc. sich ebenfalls den Zielen des Grundgesetzes verpflichten. Uns ist bewusst, dass keinesfalls der Anschein erweckt werden darf, dass eine Unterstützung extremistischer Strukturen durch die Gewährung materieller oder immaterieller Leistungen Vorschub geleistet wird.
Im April 2012 mussten die Verfechter der Extremismusklausel sogar einen Rückschlag vor Gericht hinnehmen. Das Verwaltungsgericht Dresden gab der Klage gegen die Extremismusklausel statt, ein Erfolg für das erwähnte Akubiz Pirna. Dieses war vor Gericht gezogen, weil die Unterzeichnung der Demokratieerklärung Voraussetzung für eine Förderung geworden war. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Verfahrens ließ das Gericht allerdings eine Berufung beim Sächsischen Oberverwaltungsgericht zu. Die Klausel ist rechtlich mindestens umstritten – dementsprechend sagte Timo Reinfrank von der Amadeu Antonio Stiftung, das Urteil stärke die Zivilgesellschaft. Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) habe sich – trotz zahlreicher Gutachten, die bereits gezeigt hatten, dass diese Erklärung rechtlich höchst fragwürdig ist – »beratungsresistent« gezeigt, sagte
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