Terror von Rechts
rechtsextreme Gewalt in vielen Regionen Ostdeutschlands vornehmlich gegen politische Gegner richtet, die eingeschüchtert werden sollen. Eine bemerkenswerte Entwicklung, mangels anderer Feinde werden Antifaschisten angegriffen, was auch als politischer Terror bewertet werden kann, da flächendeckend Menschen verunsichert werden sollen.
Obwohl es also kaum »Fremde« im Osten gibt, ist die Angst vor diesen mindestens genauso groß wie im Westen, was zeigt, wie abgekoppelt von der Realität diese Ängste sind – ähnlich wie das Ressentiment des Antisemitismus übrigens, das ebenfalls ohne Anwesenheit des Hassobjektes funktioniert. Im Oktober 2011, also kurz vor dem Bekanntwerden der Mordserie der Rechtsterroristen aus Jena, wurde der »Thüringen-Monitor« vorgestellt, mit dem Wissenschaftler der Universität Jena die Einstellungsmuster der Bevölkerung messen wollen. Erstmals seit fünf Jahren, so das Ergebnis, wuchs der Anteil rechtsextremer Ansichten in der Thüringer Bevölkerung wieder – teilweise drastisch. Bei der Messung griffen die Wissenschaftler auf sechs »Dimensionen rechtsextremer Einstellungen« zurück. Nach der Befragung im Mai 2011 war nur bei Aussagen zum Merkmal »Sozialdarwinismus« ein leichter Rückgang zu verzeichnen, in den übrigen Bereichen registrierten die Wissenschaftler einen teils hohen Anstieg im Vergleich zum Vorjahr. In dem Bundesland mit einem Ausländeranteil von etwa zwei Prozent glaubt mehr als die Hälfte der Befragten, Deutschland sei »durch die vielen Ausländer in einem gefährlichen Maße überfremdet« und Menschen mit Migrationshintergund kämen nur nach Deutschland, »um unseren Sozialstaat auszunutzen«. Auch die Zustimmung zu Statements eines übersteigerten Nationalismus stieg gegenüber 2010 um zwölf Prozentpunkte an: Fast jeder Zweite der Befragten fordert »ein hartes und energisches Durchsetzen deutscher Interessen gegenüber dem Ausland«. Ebenfalls im Aufwind ist die Zustimmung zu antisemitischen Aussagen und zur Verharmlosung des Nationalsozialismus: Fast jeder fünfte Befragte glaubt, der »Nationalsozialismus hatte auch seine guten Seiten«. Neun Prozent der Befragten verfügten den Angaben zufolge über ein geschlossenes rechtsextremes Weltbild.
In einer Regierungserklärung zu den Ergebnissen forderte Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU), den »rechtsextremen Antidemokraten« dürfe weder in den Städten noch in den ländlichen Räumen das Spielfeld überlassen werden. Dies müsse auch für die zuständigen Landesbehörden gelten, mahnte Bodo Ramelow als Fraktionsvorsitzender der Partei Die Linke und verwies auf Immobiliengeschäfte des Thüringer Liegenschaftsmanagements. Der Landesbetrieb hatte im September 2011 eine ehemalige Landesschule im Kreis Sömmerda für 320.000 Euro an eine Frau aus der rechtsextremen Szene verkauft. Statt scharf und klar zu agieren, hätten die zuständigen Stellen hier geschlafen, so Ramelow.
Wie alle Landtagsfraktionen sprachen auch CDU und FDP von besorgniserregenden Zahlen. Gleichzeitig aber warnten ihre Vertreter, man ahnt es bereits, vor einem »einseitigen Kampf gegen Rechtsextremismus« – und forderten die Aufnahme des »links- oder religiös-motivierten Extremismus« in die Befragung. Eine interessante Idee, auch für andere Bundesländer, es wäre tatsächlich spannend zu erfahren, wie viele Bundesbürger beispielsweise den linksradikalen Forderungen nach einem uneingeschränkten Bleiberecht für alle Flüchtlinge oder der islamistischen Forderung nach einem Staat, der sich rechtlich auf die Scharia stützt, zustimmen würden. Wären es wohl mehr oder weniger als zwei Prozent? Man braucht kein Prophet zu sein, um vorhersagen zu können, dass solche Ideen nicht im Entferntesten an die Werte rechtsextremer Einstellungsmuster heranreichen würden. Wie etwa die Behauptung, Deutschland werde »gefährlich überfremdet«, was mehr als die Hälfte der Thüringer so sieht, obgleich sie dieses angebliche Phänomen nur aus den Medien kennen – was den Medienmachern zu denken geben sollte, was sie für ein Bild von der vermeintlichen Realität zeichnen und transportieren.
Auch andere Indikatoren belegen, dass es in Ostdeutschland ein größeres Problem mit dem militanten Rechtsextremismus gibt als im Westen. So zeigen Statistiken über die Todesopfer rechtsextremer Gewalt, dass im Osten seit 1990 etwa gleich viele Menschen ermordet wurden wie im Westen, wo bekanntermaßen viermal so viele Menschen leben.
Weitere Kostenlose Bücher