Terror von Rechts
SPD-Politiker nicht einmal den selbstverständlichen Satz über die Nazis und die deutsche Schuld durchgehen lassen. Auch vom ›massenmörderischen Zweiten Weltkrieg‹ und vom Holocaust als ›schlimmstem Schandmal deutscher Geschichte‹ wollten die Heimatverbundenen nichts hören. […] Buh und Pfui waren die Lieblingswörter auf dem Schlesiertreffen. Schließlich zeigten NPD-Aktivisten ein Transparent mit der Fascho-Losung: ›Die Bonzen lügen alle gleich, mit uns kehrt Schlesien heim ins Reich‹. […] Der Bundesvorsitzende der Landsmannschaft Schlesien, Rudi Pawelka, hätte im Nachhinein die Chance gehabt, die unglaublichen Entgleisungen zu verurteilen. Aber ihm fiel zur Tatsache, dass sich eine ganze Fraktion pöbelnd gegen Schily und auf die Seite der Nazis gestellt hatte, nicht nur einzelne unverbesserliche Zwischenrufer, nur ein: ›Buhrufe gibt es häufig‹. […] Vielleicht sollte Schily aus diesem Erlebnis die Konsequenz ziehen, Pawelka und seinen Unverbesserlichen ein paar Kurse in neuerer Geschichte anzubieten. Dann würde Pawelka vielleicht nicht mehr mit der Peinlichkeit hervortreten, die Zwangsarbeiter der Nazis und ›deutsche Nachkriegs-Zwangsarbeiter‹ seien gleichzustellen.«
Niedersachsens Ministerpräsident David McAllister (CDU) verließ übrigens den Schlesiertag 2011 in Hannover vorzeitig und zeigte sich laut
Hannoverscher Zeitung
sehr verstimmt über die »wirre Rede« von Pawelka. Das Geld fließt dennoch weiter aus den öffentlichen Kassen an die Landsmannschaft. Die Hetze gegen Polen wird fortgesetzt – staatlich alimentiert. Auch in den Jahren 2013 bis 2015 will Niedersachsen das Treffen unterstützen – mit jeweils 50.000 Euro. Gleichzeitig muss ein Fachjournalist darum kämpfen, nach vielen Jahren nicht mehr als »Extremist« abgestempelt zu werden, weil er als Redakteur bei einem Stadtradio arbeitet.
Der Begriff »extremistisch« war zunächst vorwiegend als Verwaltungsbegriff benutzt worden – mit einer gewissen Berechtigung, da der Verfassungsschutz sein Arbeitsfeld abstecken muss. Mittlerweile kann aber von einer Extremismusideologie gesprochen werden, die in den politischen Alltag und vor allem in die Politikwissenschaft transferiert wurde. Ob nun Islamisten, Neonazis oder Autonome – alles Extremisten. Über Einstellungen und gesellschaftliche Anschlussfähigkeit der Ideologien wird kein Wort verloren. Familienministerin Kristina Schröder meinte zu den Phänomenen lediglich einmal, Rechtsextremismus und Islamismus seien etwa »gleich groß«. Was das bedeuten soll? Geht es beispielsweise um die Zustimmung zu bestimmten »extremistischen« Einstellungen in der Bevölkerung? Wohl kaum, denn während Studien zu rechtsextremen Einstellungsmustern immer wieder und übereinstimmend erhebliche Zustimmung zu Aussagen wie »In Deutschland leben zu viele Ausländer« zeigen, dürften sich wohl nicht sonderlich viele Bundesbürger der Forderung anschließen, in Deutschland die Scharia einzuführen.
Apropos Scharia und Verfassungsschutz: Die bekannte Internetseite
PI-News
wurde vom Inlandsgeheimdienst, im Gegensatz zu dem Journalisten Kai Budler, nicht als extremistisch eingestuft. Auch die Bundesregierung sah
PI-News
nicht als »extremistisch« an. Islamkritische bis hin zu muslimfeindliche Einstellungsmuster seien »Ausdruck von Ängsten vor Überfremdung«. Der Begriff »Überfremdung« ist übrigens ein zentraler Kampfbegriff des Rechtsextremismus. Es sei aber immerhin bekannt, dass auf
PI-News
»auch Beiträge mit antimuslimischen, teilweise auch rassistischen Inhalten eingestellt werden«, schrieb die Regierung im September 2011 in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion. Derartige Einträge fänden sich jedoch praktisch ausschließlich in den Kommentaren und seien auch dort die Ausnahme. 87
Die überwiegende Mehrheit der Einträge auf
PI-News
bediene sich keiner klassischen rechtsextremistischen Argumentationsmuster, sondern sei »im islamkritischen Spektrum anzusiedeln«, folgert die Bundesregierung – demnach ist wohl auch der norwegische Rechtsterrorist Anders Behring Breivik lediglich ein »Islamkritiker«. Und der Verfassungsschutz führte als Begründung für die nicht systematische Beobachtung der Hetz-Seite aus, dass
PI-News
sich proamerikanisch und proisraelisch ausgibt. So einfach geht das – und so funktioniert Kalter Krieg auch noch im 21. Jahrhundert.
Rechtsextremismus – (k)ein gesamtdeutsches Problem?!
The situation may be different
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