Terror von Rechts
Reinfrank. Praktisch bedeutet die Einführung der Klausel, dass die Initiativen gezwungen sind, alle Partner zu überprüfen. Seien es nun Zeitzeuginnen, Vertreter von Kirchen oder Parteien, Flüchtlinge, Hochschulprofessorinnen oder Medienschaffende. Zur Sicherstellung der »Verfassungstreue« gäben vor allem die Verfassungsschutzberichte Auskunft, erklärte das Bundesfamilienministerium. Sollten dennoch Zweifel an der politischen Ausrichtung der Partner bestehen, wird ein Anruf beim Land oder Bund empfohlen, um ganz sicherzugehen. »Eine solche Regelanfrage würde zur permanenten gegenseitigen Überprüfung führen und somit die Vertrauensgrundlage für unsere bisher erfolgreiche Demokratiearbeit in Frage stellen«, beschreibt Steffen Richter, Vorsitzender des Akubiz, das Problem. »Dass nun genau diejenigen, die tagein, tagaus für Demokratie und Menschenrechte streiten, die ersten sind, die unter einen Generalverdacht gestellt werden, ist nicht hinnehmbar.« Der SPD-Innenexperte Thomas Oppermann forderte, Schröder müsse »die Extremismusklausel sofort zurücknehmen. Der ideologische Kampf von Frau Schröder schadet unserer Demokratie. Das Urteil des Verwaltungsgerichts zeigt: Nicht die von Kristina Schröder gegängelten Bürger haben ein Problem mit unserer Verfassung, sondern die Ministerin selbst. Frau Schröder offenbart ein fragwürdiges Verständnis von Geist und Grundwerten unserer Verfassung. Die Extremismusklausel ist nicht nur rechtswidrig, sondern diskreditiert und behindert bürgerliches Engagement gegen Rechtsextremismus. Unsere Demokratie lebt vom Engagement der Bürger. Statt Zivilcourage zu stärken, macht Kristina Schröder mit einer Gesinnungsprüfung vielen Initiativen das Leben schwer. Statt sich an Recht und Gesetz zu halten, stellt Frau Schröder mit der Extremismusklausel mutige Initiativen gegen rechts unter den Generalverdacht der Verfassungsfeindlichkeit.«
Dabei gebührt den Menschen, die in Gegenden, die andere Leute weiträumig meiden, für ihre Überzeugung einstehen und den Rechtsextremen und der Ignoranz etwas entgegensetzen, ganz besonderer Respekt. Hier gibt es eine Reihe vielversprechender Ansätze und Strukturen, mit denen rechtsextreme Alltagskultur zurückgedrängt werden konnte. Wer nun aber als Erstes eine Extremismusklausel auspackt, wie es besonders drastisch in Sachsen getan wird, um wiederum Antifaschisten auszugrenzen, als Extremisten abzustempeln und sie so mit den »Extremisten von rechts« gleichzusetzen, spielt den Neonazis voll in die Hände. 82
Dies ist umso bitterer, als die Rechtsterroristen Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe über Jahre unbehelligt in dem Freistaat lebten, von hier ihre Raubzüge und Mordanschläge planten und von einem braunen Netzwerk versorgt wurden. Fraglich, ob dies bei einem ähnlichen Ermittlungsdruck, wie er bei Linken aufgebaut wird, möglich gewesen wäre. Dresden ist der Kristallisationspunkt in der Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus und im Umgang mit gesellschaftlichen Protesten gegen die Neonazis, ein Brennglas, unter dem die schwelenden Konflikte besonders deutlich werden. Auch die Bundesregierung versäumte es in Dresden einmal mehr, ein Zeichen gegen die Neonazis zu setzen und ihren Sonntagsreden von »Wehret den Anfängen« mit Taten Gewicht zu verleihen, während im Land Migranten, Obdachlose, Schwule, Schwarze oder Linke von Rassisten und Neonazis ermordet oder verfolgt werden. Kein einziges Regierungsmitglied ließ sich in Dresden bei den Protesten sehen. In vorderster Front nicht dabei: Familienministerin Kristina Schröder, die immerhin für die Mittel zum Kampf gegen den Rechtsextremismus zuständig ist. Schröder schaffte es in kurzer Zeit, die Initiativen für Demokratie nachhaltig zu schwächen – und wissenschaftlich höchst fragwürdige Projekte gegen den Linksextremismus aufzulegen. Denn auch bei Schröder gibt es keine Gefährdung durch rassistische Schläger ohne ein »aber« und einen Hinweis auf den Linksextremismus. Dabei wird die Gleichsetzung von Linksextremismus und Rechtsextremismus von fast allen Fachleuten deutlich zurückgewiesen.
Der Politikwissenschaftler Gero Neugebauer erklärte dazu, Rechtsextremismus sei die Summe bestimmter persönlicher Einstellungen wie Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus, chauvinistischer Nationalismus, Rassismus, Befürwortung einer rechtsautoritären Diktatur und Verharmlosung des Nationalsozialismus. »Wer diese Einstellungen hat, gilt als rechtsextrem.
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