Terror von Rechts
Zudem unterscheiden sich die Straftaten oft: Während im Westen Neonazis und Rassisten häufig mit Brandflaschen oder Schusswaffen mordeten, also geplant vorgingen, sind es im Osten spontane Übergriffe, Hetzjagden und Überfälle von ganzen Gruppen, die hervorstechen. Die meisten dieser Hetzjagden fanden allerdings in den neunziger Jahren statt, mittlerweile ist die Hegemonie der Rechtsextremen nicht mehr so erdrückend, oder konnte, wie in vielen Teilen Brandenburgs, komplett zurückgedrängt werden. Und wo keine rechtsextreme Vormachtstellung herrscht, gibt es auch kaum noch offene Hetzjagden auf Menschen, die verschwinden oder vernichtet werden sollen. 90
Eine ähnliche Relation zwischen West und Ost zeigt sich bei den subkulturell orientierten Rechtsextremisten. Zwar liegt auch hier die absolute Zahl in Westdeutschland höher, setzt man diese Zahlen aber wiederum in Relation zur Gesamtbevölkerungszahl, entsteht ein anderes Bild. Im Osten ist der Anteil von Rechten um ein dreifaches höher als im Westen. Dies ergibt eine Auswertung des Antifaschistischen Pressearchivs und Bildungszentrums (apabiz), das Bestelldaten von rechten Online-Versandhäusern, die nach Hackerangriffen öffentlich gemacht wurden, analysiert hat. 91
Ähnlich sieht es bei den Wahlergebnissen aus. Bei der Bundestagswahl 2009 holte die neonazistische NPD 1,5 Prozent der Stimmen. Am stärksten schnitt sie im Osten ab. Auch bei Landtags- und Kommunalwahlen liegt die NPD in den westdeutschen Bundesländern zumeist bei leicht über einem Prozent – oder scheitert sogar an der Ein-Prozent-Hürde, die der Partei die wichtigen Einnahmen aus der Wahlkampfkostenerstattung beschert. Im Osten sitzt die NPD hingegen in zwei Landesparlamenten (Sachsen, Mecklenburg-Vorpommern), scheiterte in Sachsen-Anhalt nur knapp an der Fünf-Prozent-Hürde und ist in einigen Regionen flächendeckend in den Kommunalparlamenten vertreten.
Im Februar 2011 antwortete die Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag, bundesweit verfüge die NPD über rund 330 Kommunalmandate, davon rund drei Viertel in den neuen Bundesländern. Besonders stark ist sie in ihrer Hochburg Sachsen vertreten. Die DVU verfügte zu diesem Zeitpunkt nach Angaben der Bundesregierung insgesamt über gerade einmal 36 Kommunalmandate, davon ebenfalls rund drei Viertel in den neuen Bundesländern. 92
Auch bei den folgenden Kommunalwahlen konnte sich die NPD im Westen nicht merklich verbessern. Nach der Abstimmung in Niedersachsen im Herbst 2011 versuchte die NPD, ihre dürftige Bilanz bei der Kommunalwahl wie folgt zu erklären: »Jedes Mandat, das westlich der Elbe in den ›alten Bundesländern‹ von uns mühsam erkämpft wird, muss anders bewertet werden. Alle diese erlangten Mandate und jeder öffentlich auftretende Kopf für unsere Partei steht unter einem ganz anderen öffentlichen Druck.« 93
Auch viele wichtige Knotenpunkte des rechtsextremen Netzwerks liegen im Osten: ob NPD-Parteizentrale in Berlin-Köpenick, Braunes Haus in Jena, der
Deutsche-Stimme
-Versand in Riesa oder die zahlreichen Immobilien in Thüringen. Und viele Westkader sind längst in den Osten gegangen, weil der Westen ohnehin verloren sei. Ein weiterer Vorteil besteht für sie auch darin, dass in Teilen des Ostens Nazis oftmals nicht als Nazis betrachtet werden. Es sind die Jungs und Mädels von nebenan, man kennt sich, man kennt die Eltern, man ist halt »rechts«. Die restliche weiße deutsche Normalbevölkerung wird nur äußerst selten Opfer des braunen Mobs, denn man ist ja weder links noch Ausländer.
Als Opfer fühlen sich Bürger bisweilen dann, wenn der Rechtsextremismus thematisiert wird. In Jena beispielsweise herrschte im Dezember 2011 die Wut. Nicht über die rassistische Mordserie, die von Terroristen aus der Stadt verübt wurde, nicht über die skandalösen Vorgänge beim Verfassungsschutz, sondern darüber, dass die Stadt angeblich in eine braune Ecke gestellt wurde. Eine Petition, die vom ZDF eine Entschuldigung für einen Beitrag forderte, wurde tausendfach unterzeichnet. In der Sendung »aspekte« hatte sich ein Schriftsteller mit Migrationshintergrund mit seiner Einstellung zu Jena und dem Osten auseinandergesetzt. Er stellte fest, dass er in Jena nicht leben möchte, traf sich mit einem Ex-Neonazi und erfuhr, dass dieser sich des Öfteren mal umdreht oder aus dem Fenster schaut, um sicher zu sein, dass ihm keine Gefahr drohe. Über die Machart des Beitrags lässt sich
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