Terror von Rechts
einfach ungefiltert weiterverbreiten. Die Vorstellung von Verfassungsschutzberichten ist alljährlich ein trauriges Schauspiel. Obgleich der Geheimdienst kaum etwas Neues zu berichten weiß oder berichten möchte, sondern längst bekannte Trends und Beobachtungen nur noch einmal komprimiert vorstellt, werden diese wenig relevanten Informationen flächendeckend abgebildet. Ein Pflichttermin, bei dem die Journalisten die Berichte des Geheimdienstes nur selten hinterfragen. Das hat diverse Gründe, unter anderem dürfte dies auch mit dem unerschütterlichen Glauben zu tun haben, was staatliche Stellen verkünden, sei automatisch richtig und berichtenswert. Aber Gründe dafür liegen auch im ökonomischen Druck der Arbeitswelt. Nur wenige Kollegen haben die Zeit, die Berichte genau zu lesen oder sich so intensiv darauf vorzubereiten, dass man die wirklich neuen Informationen herausfiltern kann. Zumeist bleibt es daher bei einer oberflächlichen Berichterstattung, die sich an aktuellen Aufhängern entlanghangelt. Die Opfer der rechtsextremen Gewalt spielen praktisch keine Rolle und die Ideologie hinter den Taten findet ohnehin keine Beachtung. Kontinuierliche Berichterstattung ist eher Glückssache und hängt von dem Engagement einzelner Journalisten in den einzelnen Redaktionen ab.
Zudem zeigt sich eine erhebliche Schwäche vieler Medien, menschenfeindliche Einstellungen präzise zu benennen. Dies könnte eine Folge der Extremismustheorie sein, nach der Rassismus, Antisemitismus und andere Phänomene ein Problem der »Ränder« sind. Wenn nun Persönlichkeiten wie ein ehemaliger Banker und Minister oder sogar ein Literaturnobelpreisträger rassistisch oder antisemitisch argumentieren, was zweifelsohne der Fall war, auch wenn viele dies schlicht leugnen, drücken sich Journalisten oftmals um eine Einordnung. Hier geht es nämlich um Wesentliches, um Einstellungen, die sich nicht auf die NPD schieben lassen und damit nicht exotisiert werden können. Wenn Thilo Sarrazin im Zusammenhang mit Schülern aus verschiedenen Staaten einen Vergleich zur Pferdezucht aufmacht, raunen viele Medien, dies seien »umstrittene Äußerungen«. Oder noch besser, man verschanzt sich hinter der Kritik an diesem rassistischen Unsinn und schreibt von »Rassismus-Vorwürfen«. Dabei ist es auch Aufgabe der Medien, Vorgänge nicht nur abzubilden, sondern auch einzuordnen, sonst bräuchte man keine Redaktionen mehr, sondern könnte über Nachrichtenfeeds einfach alle Informationen gleichwertig einlaufen lassen. Die Idee, man sei objektiv, weil man einfach zwei Meinungen nebeneinander stellt, ist Selbstbetrug. Durch die Themenauswahl und Gewichtung betreiben Redaktionen bereits eine Bewertung, die eine gewisse Weltsicht widerspiegelt. Wenn man sich entscheidet, über Sarrazins rassistische Thesen zu berichten, sollte man auch in der Lage sein, diese als solche zu benennen. Die Angst vor klaren Bezeichnungen treibt gelegentlich bizarre Blüten. So überschrieben große Nachrichtenportale im Netz beispielsweise den Skandal um ein Titelbild der rechtskonservativen Schweizer
Weltwoche
mit »Rassismus-Verdacht gegen
Weltwoche
«. Darunter war das Titelbild der
Weltwoche
zu sehen: Ein Roma-Junge, der mit einer Waffe auf den Leser zielt. Dazu die Schlagzeile: »Die Roma kommen – Raubzüge in der Schweiz«. Das Bild des Roma-Jungen stammte gar nicht aus der Schweiz, und das Stereotyp, alle Roma seien potentielle Räuber, ist nichts anderes als Rassismus, in diesem Fall Antiziganismus – ein jahrhundertealtes Phänomen in Europa. Dennoch tun sich viele Medien schwer damit, das Titelbild auch so zu benennen, was den Inhalt verharmlost. Denn wenn solche Hetze nicht als rassistisch bezeichnet wird, sondern als »umstritten«, dann verfestigt sich das Bild, wonach Rassismus und Antisemitismus legitime Meinungen in einem demokratischen Diskurs wären. Rassismus wird als Beitrag einer Debatte gekrönt.
Medien haben die Aufgabe, nicht nur die Ansichten und Aussagen der Mächtigen zu reproduzieren, sondern sie müssen denen eine Stimme verleihen, die keine haben. Journalisten sollen hintergründig berichten und auch nach dem Warum von gesellschaftlichen Phänomenen oder Gewalt fragen. Wenn zu Fußballgewalt oder anderen Vorfällen nur noch Vertreter der Polizei als Experten aufgefahren werden, die immer schärfere Gesetze fordern, läuft etwas schief. Beim Thema Internet wird dieser oberflächliche Zugang besonders deutlich. Das Internet funktioniert nicht
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