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Terror

Terror

Titel: Terror Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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lächelnden Lippen ihm galten. Diesmal ging es nur um ihn .
    Umso größer war sein Schreck, als ihn der ältere Ross mit einem Mal schroff zur Seite zog und durch den Zigarrenrauch und das flackernde Kerzenlicht in den Kristallleuchtern einen Pfeilhagel von Fragen auf ihn abschoss.
    »Franklin, warum zum Teufel segeln Sie mit einhundertvierunddreißig Mann?«, schnarrte er, ein Scheuerstein auf rauem Holz. Kapitän John Franklin blinzelte erstaunt. »Es ist eine große Expedition, Sir John.«
    »Eine Nummer zu groß, für meinen Geschmack. Wenn etwas schiefgeht, dann ist es schon schwer, dreißig Leute übers Eis und in Booten zurück in die Zivilisation zu führen. Einhundertvierunddreißig Mann …« Der alte Arktisforscher räusperte sich so vernehmlich, als wollte er gleich ausspucken.
    Franklin nickte lächelnd in der Hoffnung, den Alten bald wieder los zu sein.
    »Und Ihr Alter«, fuhr Ross fort. »Um Gottes willen, Mann, Sie sind doch schon sechzig.«

    »Neunundfünfzig, Sir«, entgegnete Franklin steif.
    Der ältere Ross setzte ein schmales Lächeln auf und wirkte nun mehr denn je wie ein Eisberg. »Die Terror hat wie viel Gewicht? Dreihundertdreißig Tonnen? Und die Erebus ungefähr dreihundertsiebzig?«
    »Das Flaggschiff dreihundertzweiundsiebzig, die Terror dreihundertsechsundzwanzig.«
    »Und beide einen Tiefgang von neunzehn Fuß, nicht wahr?«
    »Ja, Sir.«
    »Das ist doch der blanke Irrsinn, Franklin. Das ist der größte Tiefgang, mit dem je ein Schiff in die Arktis gesegelt ist. Bei allen Fahrten in diese Region hat sich gezeigt, dass die Gewässer, auf die Sie Kurs nehmen, seicht sind, voller Untiefen, Felsen und verborgenem Eis. Meine Victory hatte nur einen Tiefgang von eineinhalb Faden, und trotzdem sind wir nicht über die Barre vor dem Hafen gekommen, in dem wir überwintert haben. Und George Back hätte auf dem Eis fast den Schiffsboden Ihrer Terror aufgerissen.«
    »Beide Schiffe wurden zusätzlich gepanzert, Sir John.« Franklin konnte fühlen, wie ihm der Schweiß über die Rippen auf den stattlichen Bauch rann. »Das sind jetzt die stärksten Schiffe der Welt.«
    »Und was ist das für ein Unsinn mit diesen Dampfmaschinen?«
    »Das ist kein Unsinn, Sir.« Franklin hörte die Herablassung in seiner Stimme. Er selbst wusste nichts über Dampfkraft, aber er hatte zwei gute Maschinisten und Fitzjames dabei, der der neuen Steam Navy angehörte. »Das sind sehr starke Maschinen, Sir John. Sie werden uns dort durchs Eis bringen, wo wir mit den Segeln bisher gescheitert sind.«
    Sir John Ross schnaubte. »Ihre Dampfmaschinen sind doch nicht einmal für den maritimen Gebrauch bestimmt, Franklin!«
    »Nein, Sir John. Aber es sind die besten Dampfmaschinen, die
uns die Eisenbahngesellschaft London and Greenwich verkaufen konnte. Eigens umgebaut für die Seefahrt. Wirklich mächtige Kolosse, Sir.«
    Ross nippte an seinem Whiskey. »Allerdings nur, wenn Sie vorhaben, in der Nordwestpassage Gleise zu verlegen und mit einer gottverdammten Lokomotive durchzufahren.«
    Franklin lachte gutmütig über diese Bemerkung, auch wenn er sie nicht im Geringsten witzig fand und tief gekränkt über die Blasphemie war. Oft konnte er nicht erkennen, wann andere sich einen Scherz erlaubten, weil er selbst keinerlei Sinn für Humor besaß.
    »Und so mächtig sind sie auch wieder nicht«, fuhr Ross unerbittlich fort. »Diese eineinhalb Tonnen schwere Maschine, die in die Last der Erebus reingestopft wurde, hat nur fünfundzwanzig Pferdestärken. Und Croziers Maschine ist noch schwächer … die hat höchstens zwanzig. Das Schiff, das Sie über Schottland hinausschleppen soll, die Rattler , hat eine kleinere Dampfmaschine, die zweihundertzwanzig Pferdestärken erzeugt. Das ist eine Maschine, die für die Seefahrt gebaut wurde.«
    Franklin wusste nichts zu erwidern, daher lächelte er erneut. Um das Schweigen zu überbrücken, winkte er einem Diener, der soeben mit einem Tablett voll Sektgläsern vorbeikam. Da der Genuss von Alkohol jedoch gegen all seine Grundsätze verstieß, konnte er danach nur mit dem Glas in der Hand dastehen, dessen Inhalt allmählich schal wurde, und auf eine Gelegenheit warten, es unauffällig loszuwerden.
    »Überlegen Sie mal, wie viel zusätzlichen Proviant Sie in den Laderäumen Ihrer beiden Schiffe hätten verstauen können, wenn diese verdammten Maschinen nicht wären«, setzte Ross nach.
    Franklin blickte sich hilfesuchend um, aber ringsum war alles in angeregte Unterhaltungen

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