Terror
vertieft. »Wir haben mehr als ausreichende Vorräte für drei Jahre, Sir John«, erwiderte er schließlich. »Sogar für fünf bis sieben Jahre, falls wir die Rationen
kürzen.« Wieder versuchte er mit einem Lächeln, diese kantige Miene vor ihm ein wenig freundlicher zu stimmen. »Und sowohl die Erebus als auch die Terror verfügen über Heißwasserheizungen, Sir John. Das wäre Ihnen damals auf der Victory sicherlich auch zustattengekommen.«
In Sir John Ross’Augen lag ein kaltes Glimmen. »Die Victory wurde vom Eis zerdrückt wie ein Ei, Franklin. Da hätte mir wohl auch Dampfwärme kaum geholfen.«
Franklin sah sich unauffällig um; vielleicht konnte er Fitzjames auf sich aufmerksam machen. Oder zur Not auch Crozier. Irgendjemand, der ihm zu Hilfe eilte. Doch niemand schien den alten Sir John und den dicken Sir John zu bemerken, die die Köpfe zu einer sehr einseitigen Unterredung zusammensteckten. Wieder eilte ein Diener vorbei, und Franklin stellte rasch sein unberührtes Glas Sekt aufs Tablett. Ross musterte Franklin aus zusammengekniffenen Augen.
»Und wie viel Kohle braucht man, um eines Ihrer Schiffe dort im Norden auch nur einen Tag lang zu beheizen?«, drängte der alte Schotte.
»Ach, das weiß ich nicht so genau, Sir John.« Franklin setzte sein gewinnendstes Lächeln auf. Er wusste es wirklich nicht. Und es war ihm auch nicht besonders wichtig. Für die Dampfmaschinen und die Kohle waren schließlich die Maschinisten zuständig. Gewiss hatte die Admiralität gut für die Expedition vorgesorgt.
»Aber ich weiß es«, knurrte Ross. »Sie brauchen bis zu einhundertfünfzig Pfund Kohle am Tag, nur damit das Wasser zum Heizen des Mannschaftslogis in Bewegung bleibt. Eine halbe Tonne von Ihrer kostbaren Kohle am Tag, um Dampf zu erzeugen. Wenn Sie unterwegs sind – bei diesen klobigen Mörserschiffen müssen Sie mit einer Geschwindigkeit von höchstens vier Knoten rechnen –, werden Sie zwei bis drei Tonnen Kohle am Tag verheizen. Und noch viel mehr, wenn Sie durchs Packeis brechen wollen. Wie viel Kohle haben Sie dabei, Franklin?«
Mit einer fast weibischen Geste, wie ihm selbst sogleich auffiel, winkte der Kapitän ab. »So ungefähr zweihundert Tonnen, Sir.«
Wieder zog Ross die Augen zu Schlitzen zusammen. »Neunzig Tonnen jeweils auf der Erebus und auf der Terror , um genau zu sein«, schnarrte er. »Und zwar nach dem Auffüllen der Vorräte in Grönland, also noch bevor Sie die Baffin-Bucht durchqueren und lange bevor Sie wirklich Eis zu Gesicht kriegen.«
Franklin lächelte stumm.
»Sagen wir also, Sie kommen mit fünfundsiebzig Prozent Ihrer neunzig Tonnen an dem Platz an, wo Sie Ihr Winterlager im Eis aufschlagen.« Ross kannte keine Gnade. »Dann bleibt Ihnen Dampfkraft für wie viele Tage … unter normalen Bedingungen, wohlgemerkt, nicht unter Eisbedingungen? Zwölf Tage? Dreizehn? Vierzehn?«
Kapitän John Franklin hatte nicht die geringste Ahnung. Er war zwar ein Fachmann auf dem Gebiet der Seefahrt, aber seine Denkweise war eine völlig andere. Vielleicht hatten seine Augen die plötzlich in ihm aufsteigende Panik verraten – nicht wegen der Kohle, sondern weil er vor Sir John Ross nicht wie ein Trottel dastehen wollte –, jedenfalls packte ihn der alte Seebär mit eisernem Griff an der Schulter.
Als Ross sich vorbeugte, konnte Sir John Franklin seinen Whiskeyatem riechen.
»Welche Pläne hat die Admiralität zu Ihrer Rettung ausgearbeitet, Franklin?« Ross’ Schmirgelpapierstimme war leise und wurde fast übertönt von dem Lachen und Geplauder des Empfangs, der sich seinem Ende zuneigte.
»Rettung?« Franklin blinzelte verwirrt. Die Vorstellung, dass die zwei modernsten Schiffe der Welt – gepanzert gegen das Eis, angetrieben von Dampfkraft, ausgestattet mit Proviant für mindestens fünf Jahre in der Arktis und bemannt mit den besten, von Sir John Barrow persönlich ausgewählten Seeleuten – Hilfe oder
gar Rettung benötigen könnten, war für Franklin einfach unfassbar. Sie war völlig absurd.
»Haben Sie daran gedacht, auf Ihrem Weg durch die Inseln Vorratslager anzulegen?«, zischte Ross.
»Vorratslager? Wir sollen unseren Proviant unterwegs zurücklassen? Um Himmels willen, weshalb denn das?«
»Damit Sie Unterschlupf und Nahrung haben, wenn Sie mit Ihren Männern und Booten übers Eis marschieren müssen.« Ross’ Augen funkelten heftig.
»Aber warum sollten wir denn zu Fuß zur Baffin-Bucht zurückgehen? Wir haben die Absicht, die Nordwestpassage
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