Terror
Sir John die Expedition geführt hatte.
Dennoch war Francis Crozier fest entschlossen, am Leben zu bleiben. Die Flamme in ihm brannte wie starker irischer Whiskey.
»Haben wir also den Gedanken, mit dem Schiff hier wegzusegeln, völlig aufgegeben?«, fragte nun Robert Sinclair.
Die Antwort gab James Reid, der Eislotse der Erebus. »Wir müssten fast dreihundert Meilen nach Norden durch die Straße und den Sund segeln, die wir unter Leitung von Sir John entdeckt haben, dann weiter durch die Barrow-Straße und den Lancaster-Sund hinüber in die Baffin-Bucht, bevor sich das Eis wieder schließt. Auf der Fahrt nach Süden hatten wir die Dampfmaschine
und die Panzerung, um durchzubrechen. Selbst wenn das Eis so stark auftaut wie vor zwei Sommern, wäre es sehr schwer, diese Strecke nur unter Segeln zurückzulegen. Noch dazu mit unserem maroden Schiff.«
»Vielleicht gibt es ja viel weniger Eis als 1846«, entgegnete Sinclair.
»Vielleicht fliegen mir gleich Engel aus dem Arsch«, blaffte Thomas Blanky.
Wegen seiner Behinderung wies keiner der Offiziere den Eislotsen zurecht. Einige lächelten sogar.
»Unter Umständen gibt es noch eine andere Möglichkeit … zum Segeln, meine ich«, meldete sich Leutnant Little.
Alle Augen wandten sich in seine Richtung. Inzwischen saß die Hälfte der Männer, die Tabakrationen gespart und zum Teil mit unaussprechlichen Dingen gestreckt hatten, pfeiferauchend um den Tisch. Die Dunstschwaden verstärkten noch die Finsternis, die von dem trüben Flackern der Waltranlampen kaum durchdrungen wurde.
»Leutnant Gore war letzten Sommer der Meinung, südlich der King-William-Insel Land erspäht zu haben«, fuhr Little fort. »Falls das so ist, dann muss es sich um die schon bekannte Adelaide-Halbinsel handeln, zwischen deren Küsteneis und dem Packeis oft ein offener Wasserkanal ist. Wenn also genügend Rinnen entstehen, dass die Terror nach Süden segeln kann – kaum mehr als hundert Meilen, im Gegensatz zu den dreihundert Meilen zurück zum Lancaster-Sund –, könnten wir den offenen Kanälen an der Küste nach Westen folgen, bis wir die Beringstraße erreichen. Ab da wäre dann alles bekanntes Territorium.«
»Die Nordwestpassage.« Leutnant Irvings Worte hallten wie eine traurige Beschwörung durch den Raum.
»Aber hätten wir im späten Sommer auch noch genügend taugliche Seeleute, um das Schiff zu bemannen?«, fragte Goodsir mit leiser Stimme. »Bis zum Mai hat der Skorbut vielleicht
schon alle im Griff. Und was sollen wir auf der wochen- und monatelangen Fahrt nach Westen essen?«
»Weiter westlich gibt es vielleicht mehr Wild«, erwiderte Sergeant Tozer. »Moschusochsen, Rentiere, Walrosse, weiße Polarfüchse. Vielleicht schmausen wir wie die Paschas, bis wir nach Alaska kommen.«
Crozier rechnete mit einer Bemerkung seines Eislotsen wie: »Vielleicht fliegen mir gleich Moschusochsen aus dem Arsch«, doch der zuweilen ein wenig übermütige Thomas Blanky schien tief in Gedanken versunken.
Stattdessen antwortete Leutnant Little. »Sergeant Tozer, selbst wenn das Wild nach zwei Sommern auf wundersame Weise wieder zurückkehren würde, haben wir die Schwierigkeit, dass kein Besatzungsmitglied richtig mit einer Büchse umgehen kann – Ihre Soldaten natürlich ausgenommen. Aber wir bräuchten mehr Leute zum Jagen als die noch einsatzfähigen Seesoldaten. Und keiner von uns hat Erfahrung mit der Jagd auf größeres Wild. Können wir die Tiere, von denen Sie sprechen, überhaupt mit Flinten erlegen?«
»Wenn man nah genug rankommt«, erwiderte Tozer mürrisch.
Crozier ging dazwischen. »Dr. Goodsir hat vorhin ein wichtiges Argument ins Feld geführt. Wenn wir bis zum Sommer oder auch nur bis Juni warten, um zu sehen, ob das Packeis aufbricht, sind wir vielleicht schon zu krank und ausgehungert, um das Schiff zu bemannen. Und mit Sicherheit sind dann unsere Vorräte schon zu weit aufgebraucht, um eine Schlittenfahrt zu beginnen. Wir müssen davon ausgehen, dass die Reise übers Eis oder den Fischfluss hinauf drei oder vier Monate dauert. Wenn wir also die Schiffe aufgeben und aufs Eis gehen wollen in der Hoffnung, noch vor Wintereinbruch entweder den Großen Sklavensee oder die Ostküste der Somerset-Insel zu erreichen, dann müssen wir schon vor dem Juni aufbrechen. Aber wie bald?«
Wieder herrschte brütendes Schweigen.
»Ich würde vorschlagen, nicht später als am ersten Mai«, antwortete Leutnant Little schließlich.
»Noch früher, denke ich«, ergänzte
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