Terror
mitschleppen, um Wasserrinnen zu durchschiffen, aber das wäre gleich dreimal so anstrengend. Und eins steht fest: Wenn sich das Eis hier nicht öffnet, dann ist es auch im Nordosten Richtung Baffin-Bucht nicht offen.«
»Das Gewicht wäre viel geringer, wenn wir nur Proviant und Zelte auf die Schlitten laden und über die Boothia-Halbinsel nach Nordosten ziehen«, warf Leutnant Hodgson von der Terror -Seite der Tafel ein. »So eine Pinasse wiegt doch allein schon sechshundert Pfund.«
»Eher achthundert«, sagte Kapitän Crozier mit leiser Stimme.
»Dazu kommen noch mal sechshundert Pfund für einen Schlitten, der ein Boot tragen kann.« Blanky breitete die Arme aus. »Also schleppt jede einzelne Gruppe zwischen vierzehn- und fünfzehnhundert Pfund, Proviant, Zelte, Waffen, Kleider und andere wichtige Sachen nicht mitgerechnet. So ein Gewicht hat bisher noch niemand über eine Strecke von mehr als tausend Meilen gezogen – und wenn wir zur Baffin-Bucht wollen, müssen wir einen großen Teil davon auf offenem Meereis zurücklegen.«
»Aber ein Schlitten, der vielleicht noch ein Segel hat, ist doch viel besser, vor allem wenn wir schon im März oder April aufbrechen, bevor das Eis klebrig und flüssig wird«, bemerkte Leutnant Le Vesconte. »Da kommen wir viel leichter voran als mit Booten und Ausrüstung, die wir durch Sommermatsch über Land schleppen müssen.«
»Ich bin dafür, wir lassen die Boote hier und marschieren nur mit Schlitten und Vorräten zur Baffin-Bucht«, ergänzte Charles Des Voeux. »Wenn wir vor Ende der Walfangzeit zur Ostküste der Somerset-Insel kommen, werden wir bestimmt von irgendeinem Schiff aufgesammelt. Und ich möchte wetten, dass dort auch schon Rettungsschiffe und Schlittentrupps der Royal Navy nach uns suchen.«
»Aber wenn wir die Boote zurücklassen«, wandte Blanky ein, »reicht schon eine einzige offene Wasserstrecke, um uns aufzuhalten. Dann verrecken wir dort draußen auf dem Eis.«
»Und weshalb sollten sich Rettungsexpeditionen ausgerechnet an der Ostseite der Somerset-Insel und der Boothia-Halbinsel aufhalten?«, fügte Leutnant Little hinzu. »Wenn sie nach uns suchen, werden sie da nicht eher unserem Kurs durch den Lancaster-Sund zur Devon-, Beechey- und Cornwallis-Insel folgen? Sir Johns Befehle sind ihnen doch bekannt. Sie nehmen bestimmt an, dass wir durch den Lancaster-Sund gefahren sind, weil der in den meisten Sommern offen ist. Und so weit hinauf in den Norden schaffen wir es nie – keiner von uns.«
»Vielleicht ist das Eis oben im Lancaster-Sund in diesem Jahr genauso schlimm wie hier unten«, sagte der Eislotse Reid. »Dann müssen sich die Suchtrupps weiter südlich halten, das heißt an der Ostküste von Somerset und Boothia.«
»Vielleicht finden sie die Nachrichten, die wir oben auf Beechey hinterlassen ham, wenn sie da durchkommen.« Leise Hoffnung lag in Sergeant Tozers Stimme. »Dann können sie Schiffe oder Schlitten runter zu uns in den Süden schicken.«
Nach einer Weile durchbrach Kapitän Fitzjames das Schweigen, das sich herabgesenkt hatte wie ein Leichentuch. »Auf der Beechey-Insel wurden keine Nachrichten hinterlassen.«
In der verlegenen Stille, die dieser Äußerung folgte, entdeckte Francis Crozier eine sonderbar reine, heiße Flamme in seiner Brust. Es war eine Empfindung fast wie beim ersten Schluck
Whiskey nach mehreren Tagen der Abstinenz, und doch völlig anders.
Crozier wollte nicht sterben. So einfach war es. Er war entschlossen , am Leben zu bleiben. Allen Widrigkeiten und allen Göttern, die ihm ein anderes Schicksal zugedacht hatten, zum Trotz würde er diese Pechsträhne überleben.
Schon in den schmerzvollen Stunden, als er Anfang Januar aus seinem Ringen mit dem Tod erwacht war, hatte er das Feuer in seiner Brust gespürt. Und diese Flamme wurde von Tag zu Tag stärker.
Vielleicht klarer als alle anderen, die an diesem Tag um die lange Tafel in der Großen Messe versammelt waren, hatte er begriffen, wie nahezu aussichtslos die hier besprochenen Vorgehensweisen waren. Es war Irrsinn, nach Süden über das Eis zum Großen Fischfluss zu ziehen. Es war Irrsinn, über zwölfhundert Meilen Küsteneis, Pressrücken, offene Wasserrinnen und eine unerforschte Halbinsel die Somerset-Insel erreichen zu wollen. Und es war Irrsinn, zu glauben, dass das Eis in diesem Sommer aufbrechen würde und dass die – mit zwei Mannschaften und praktisch ohne Proviant segelnde – Terror die schreckliche Falle verlassen konnte, in die
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