Terror
der Augapfel zu stark beschädigt war.
Er nahm die Schere aus Lloyds bebender Hand und durchtrennte den Sehnerv. Das Auge warf er in den Eimer, der bereits mit blutigen Stoffstücken und Fetzen von Collins’ Haut gefüllt war.
»Halt die Lampe näher«, befahl er. »Und hör auf zu schlottern.«
Merkwürdigerweise war noch ein Rest vom Lid vorhanden. Diesen zog Goodsir möglichst weit nach unten und nähte ihn an ein Stück lose Haut unter dem Auge. Hier setzte er die Stiche enger, weil sie jahrelang halten mussten.
Falls Collins überlebte.
Nachdem er das Gesicht des Zweiten Steuermanns so weit wiederhergestellt hatte, wie es möglich war, wandte sich Goodsir den Brand- und Klauenwunden zu. Die Verbrennungen waren nur oberflächlich. Die Krallenhiebe hingegen waren so tief eingedrungen, dass der Arzt an manchen Stellen die Rippen weiß durchschimmern sah.
Er wies Lloyd an, mit der linken Hand Salbe auf die Brandwunden
aufzutragen und ihm gleichzeitig mit der rechten Hand zu leuchten. Dann machte sich Goodsir seinerseits daran, die zerrissenen Muskeln zu säubern und zu schließen, und nähte die darüberliegende Haut wieder fest, wo es ging. Aus der Schulterwunde und am Hals trat noch immer Blut aus, aber in viel geringerem Ausmaß. Wenn die Flammen die Risse im Fleisch und die Venen hinlänglich ausgebrannt hatten, hatte der Zweite Steuermann vielleicht noch genügend Blut in den Adern, um zu überleben.
Andere Männer wurden hereingetragen. Sie hatten Verbrennungen erlitten, die zum Teil ernst, aber in keinem der Fälle lebensgefährlich waren. Nachdem er nun die dringlichsten Eingriffe an Collins vorgenommen hatte, hängte Goodsir die Lampe an den Messinghaken über dem Tisch und befahl Lloyd, den anderen Patienten mit Salbe, Wasser und Verband zu helfen.
Er verabreichte Collins noch eine Dosis Opium, damit der inzwischen erwachende, schreiende Mann schlafen konnte, hob den Blick und sah Kapitän Fitzjames neben sich stehen.
Der Kapitän war nicht weniger rußig und blutig als der Arzt. »Wird er überleben?«
Goodsir legte sein Skalpell weg. Er öffnete und schloss die verschmierten Hände, wie um zu sagen: Das weiß nur Gott.
Fitzjames nickte. »Wir haben das Feuer unter Kontrolle. Das wollte ich Ihnen nur mitteilen.«
In der letzten Stunde hatte Goodsir keinen Gedanken auf das Feuer verschwendet. »Mr. Downing, bitte helfen Sie Lloyd, Mr. Collins zu der Pritsche am Schott zu tragen. Dort ist es am wärmsten.«
»Wir haben die gesamte Zimmermannsausrüstung auf dem Orlopdeck verloren«, fuhr Fitzjames fort. »Dazu einen großen Teil unseres Proviants in den Kisten vorn im Bugbereich und in der Brotkammer. Ich schätze, dass ungefähr ein Drittel unserer Lebensmittelvorräte in Büchsen und Fässern vernichtet wurden.
Außerdem hat es sicher auch Schäden auf dem Lastdeck gegeben, aber wir waren noch nicht unten.«
»Wie ist das Feuer überhaupt ausgebrochen?«
»Collins oder einer seiner Leute hat eine Laterne auf das Wesen geschleudert, als es ihnen durch die Schütte entgegensprang«, erwiderte der Kapitän.
»Was ist mit dem … Wesen?« Goodsir fühlte sich auf einmal so matt, dass er sich an dem blutigen Operationstisch festhalten musste, um nicht umzufallen.
»Anscheinend ist es auf dem gleichen Weg verschwunden, auf dem es hereingekommen ist. Wieder die Schütte hinunter und irgendwo vom Lastdeck aus hinaus. Oder es lauert noch immer dort unten. Beide Schütten werden von Bewaffneten bewacht. Dort unten im Orlop ist es so kalt und verraucht, dass wir die Wachen alle halbe Stunden ablösen müssen. Collins hat es am besten gesehen. Deswegen bin ich hier … um zu schauen, ob ich mit ihm reden kann. Für die anderen war es nur eine Gestalt hinter den Flammen – Augen, Zähne, Klauen, ein weißer Koloss oder ein schwarzer Umriss. Leutnant Le Vesconte hat die Seesoldaten schießen lassen, aber niemand hat gesehen, ob das Ungeheuer getroffen wurde. Vor dem ausgebrannten Zimmermannshellegat ist überall Blut, aber wir wissen nicht, ob es zum Teil von der Bestie stammt. Kann ich mit Collins sprechen?«
Goodsir schüttelte den Kopf. »Ich habe dem Zweiten Steuermann gerade ein Opiat verabreicht. Er wird mehrere Stunden schlafen. Und ich habe keine Ahnung, ob er überhaupt wieder aufwachen wird. Es steht nicht gut um ihn.«
Fitzjames nickte erneut. Der Kapitän wirkte genauso erschöpft, wie Goodsir sich fühlte.
»Was ist mit Dunn und Brown?«, fragte der Arzt. »Sie sind doch mit
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