Terror
King-William-Land festsitzen, konnten sie, falls sich durch ein Wunder das Eis doch noch öffnete, zumindest theoretisch mit den Booten zurück zur Terror fahren und versuchen, in die Freiheit davonzusegeln.
Theoretisch.
Er wandte sich an den Zweiten Unterleutnant, der als erster Schlepper im Geschirr des vordersten von fünf Schlitten stand. »Mr. Thomas, ziehen Sie, wenn Sie bereit sind.«
»Aye aye, Sir.« Thomas legte sich ins Zeug. Doch obwohl insgesamt sieben Männer im Geschirr zerrten, bewegte sich der Schlitten nicht. Die Kufen waren festgefroren.
»Immer feste voran, Bob!«, rief lachend der hinter ihm postierte Matrose Edwin Lawrence. Der Schlitten ächzte, die Männer stöhnten, Leder knarrte, Eis brach, und der hochbepackte Schlitten setzte sich ruckend in Bewegung.
Leutnant Little gab das Zeichen für den zweiten Schlitten, an dessen Spitze Magnus Manson stand. Mit dem Hünen als vorderstem Schlepper fuhr dieser Schlitten sofort an, obwohl er
noch schwerer geladen hatte als der von Thomas – nur ein leises Schaben der Holzkufen auf dem Eis war zu vernehmen.
Und so begannen die sechsundvierzig Seeleute ihren Marsch über das Eis. Fünfunddreißig lagen während der ersten Strecke im Geschirr, und fünf bildeten eine Reserve mit Flinten, um jederzeit einspringen zu können. Vier mit Büchsen bewaffnete Seesoldaten von beiden Schiffen und die zwei Offiziere Little und Crozier schoben gelegentlich oder schlüpften manchmal auch selbst in die Gurte.
Der Kapitän dachte an einen merkwürdigen Vorfall vor einigen Tagen. Der Zweite Leutnant Hodgson und der Dritte Leutnant Irving bereiteten sich gerade auf eine Schlittenfahrt zum Terror -Lager vor. Beide Offiziere hatten Befehl, mit Männern aus dem Lager Jagd- und Erkundungsstreifzüge zu unternehmen. Irving überraschte den Kapitän mit der Bitte, einen von zwei Männern, die seinem Trupp zugeteilt worden waren, auf der Terror zurücklassen zu dürfen. Zunächst war Crozier verwundert, weil er dem jungen Leutnant eigentlich genug Durchsetzungsvermögen zugetraut hatte, um mit Seeleuten fertig zu werden und alle ihm erteilten Befehle auszuführen. Doch als Crozier die Namen hörte, hatte er verstanden. Leutnant Little hatte sowohl Magnus Manson als auch Cornelius Hickey auf die Liste für Irvings Erkundungstrupp gesetzt, und Irving bat ohne Nennung von Gründen darum, einen der beiden einer anderen Gruppe zuzuweisen. Crozier hatte der Bitte ohne weiteres entsprochen und Manson für die Schlittentransporte am letzten Tag eingeteilt, während der Kalfaterersmaat bei Leutnant Irvings Erkundungstrupp blieb. Auch Crozier traute diesem Hickey nicht über den Weg, vor allem nach der nur knapp verhinderten Meuterei vor einigen Wochen. Er wusste, dass der kleine Mann mit dem schwachsinnigen Riesen Manson an seiner Seite noch viel heimtückischer war.
Während er sich jetzt vom Schiff entfernte, sah Crozier fünfzig
Fuß vor sich den ziehenden Manson. Der Kapitän hielt das Gesicht bewusst nach vorn gerichtet. Er hatte sich vorgenommen, mindestens die ersten zwei Stunden des Marsches keinen Blick zurück zur Terror zu werfen.
Beim Betrachten der angestrengt arbeitenden Männer musste der Kapitän an all jene denken, die heute nicht hier waren.
Viele von ihnen waren mit den Booten vorausgeschickt worden zum Terror -Lager auf King-William-Land, und das Kommando dieses Teils der Besatzung hatte Fitzjames übernommen. Aber der eigentliche Grund seiner Abwesenheit war Taktgefühl. Kein Kapitän wollte einen anderen Kapitän als Zeugen dabeihaben, wenn er sein Schiff verlassen musste. Auch Crozier, der die Erebus kurz nach dem Brand und dem Eindringen des Ungeheuers Anfang März jeden Tag besucht hatte, hatte größten Wert darauf gelegt, nicht zugegen zu sein, als Fitzjames am Mittag des 31. März sein Schiff aufgeben musste. Und im Gegenzug hatte sich Fitzjames freiwillig gemeldet, um das Kommando des Voraustrupps zu übernehmen.
Manch anderer allerdings konnte aus einem viel tragischeren und bedrückenderen Grund nicht hier sein. Während er neben dem Schlitten dahinstapfte, ließ Crozier noch einmal die Gesichter an sich vorüberziehen.
Was den Verlust an Offizieren anging, hatte die Terror mehr Glück gehabt als die Erebus. Von Croziers Schiffsoffizieren war sein Erster Unterleutnant Fred Hornby während des missratenen Karnevals dem Ungeheuer zum Opfer gefallen, der Zweite Steuermann Gillies MacBean während eines Schlittentransports im letzten September
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