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Terror

Terror

Titel: Terror Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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viel Schnee, wie ihr könnt. Werft ihn in die Flammen.« Fitzjames unterbrach sich, weil er heftig husten musste.
    Goodsir rappelte sich auf. Um ihn herum wirbelten die Schwaden, als ob jemand eine Tür oder ein Fenster geöffnet hätte. Im einen Augenblick konnte er fünfzehn, zwanzig Fuß nach vorn bis zu den Hellegaten des Zimmermanns und des Bootsmanns sehen und erkennen, dass die Flammen an den Schiffswänden und -planken leckten, und im nächsten war alles wieder in undurchdringlichen Dunst gehüllt. Von überall war Husten zu hören.
    Männer, die zur Treppe eilten, stießen gegen den Arzt, und er drückte sich an die Schiffswand. Er überlegte, ob er besser hinauf aufs Unterdeck gehen sollte. Hier konnte er nicht helfen.
    Dann fiel ihm wieder der nackte Arm in der Tür zum Kohlenverschlag unten auf dem Lastdeck ein. Bei dem Gedanken, erneut dort hinabzusteigen, hätte er sich am liebsten übergeben.
    Aber das Ungeheuer ist hier auf dem Orlop.
    Wie zur Bestätigung feuerten keine zehn Fuß vor dem Arzt vier oder fünf Büchsen gleichzeitig. Der Krach ließ ihn in die Knie gehen. Die Hände an die Ohren gepresst, erinnerte er sich
daran, wie er den Leuten der Terror davon erzählt hatte, dass Skorbutopfer vom Knall eines Büchsenschusses sterben konnten. Er wusste, dass er die ersten Symptome der Krankheit zeigte.
    »Feuer einstellen!«, rief Fitzjames. »Sofort aufhören! Da oben sind Männer.«
    »Aber Sir …« Korporal Alexander Pearson, der ranghöchste der noch lebenden vier Seesoldaten auf der Erebus, verstummte.
    »Aufhören, sag ich!«
    Goodsir nahm jetzt die Umrisse Le Vescontes und der Seesoldaten vor den Flammen wahr. Der Leutnant stand, und die Soldaten luden kniend ihre Büchsen nach, als wären sie mitten in einer Schlacht. Der Arzt glaubte zu erkennen, dass die Schiffsplanken sowie die Kisten und Fässer in Richtung Bug alle in Flammen standen. Mit Decken und Segeltuchrollen schlugen die Seeleute auf das Feuer ein. Überall stoben Funken auf.
    Mitten aus den Flammen stolperte eine brennende Gestalt auf die Seesoldaten und die zusammengedrängten Matrosen zu.
    »Nicht schießen!«, donnerte Fitzjames.
    »Nicht schießen!«, brüllte auch Le Vesconte.
    Der Kapitän fing den brennenden Mann in seinen Armen auf. »Mr. Goodsir!«
    Der Steuermannsmaat John Downing wandte sich rasch von dem Feuer im Durchgang ab und drückte mit seiner Decke die Flammen aus, die aus den schwelenden Kleidern des Verletzten emporschlugen.
    Goodsir stürmte nach vorn und übernahm den halb Bewusstlosen von Fitzjames. Die rechte Gesichtsseite des Mannes war fast verschwunden. Nicht das Feuer, sondern Krallen hatten sie weggerissen. Inmitten von Hautlappen hing das Auge herab. Auf der rechten Brustseite verliefen parallele Klauenspuren, die sich trotz der vielen Kleiderschichten tiefins Fleisch gegraben hatten. Das Wams des Mannes war blutdurchtränkt, und sein rechter Arm fehlte ganz.

    Goodsir erkannte, dass er Henry Foster Collins hielt, den Zweiten Steuermann, den Fitzjames vorhin zusammen mit dem Kalfaterer Brown und seinem Maat Dunn zum Bug geschickt hatte, um die vordere Luke zu sichern.
    »Jemand muss mir helfen, ihn hoch ins Lazarett zu schaffen«, ächzte Goodsir. Selbst ohne seinen Arm war Collins ein schwerer Mann. Seine Beine hatten nun vollkommen nachgegeben, und der Arzt konnte ihn nur deshalb aufrecht halten, weil er sich gegen die Wand der Brotkammer gestützt hatte.
    »Downing!« Fitzjames’ Ruf war nicht zu überhören.
    Der große Steuermannsmaat, der sich wieder ans Löschen der Flammen gemacht hatte, warf seine brennende Decke weg und rannte zurück. Ohne Fragen zu stellen, legte er sich Collins’ verbliebenen Arm über die Schulter. »Nach Ihnen, Mr. Goodsir.«
    Goodsir wollte gerade die Treppe hinaufsteigen, als sich ein Dutzend Männer mit Eimern im dichten Rauch einen Weg nach unten bahnte.
    »Platz da!«, rief Goodsir. »Ein Verwundeter muss nach oben.«
    Stiefel und Knie wichen aus.
    Während Downing noch den inzwischen bewusstlosen Collins den steilen Niedergang hinauftrug, gelangte der Arzt aufs Unterdeck. Seeleute liefen zusammen und starrten ihn erschrocken an. Goodsir fiel ein, dass er vermutlich selbst wie ein Unfallopfer aussah. Seine Hände, seine Kleider und sein Gesicht waren blutverschmiert, nachdem er gegen den Pfosten gestoßen war. Außerdem war er über und über schwarz von Ruß.
    »Achteraus zum Lazarett«, befahl er, als Downing mit dem verstümmelten Mann in seinen Armen das

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