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Terror

Terror

Titel: Terror Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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Verlaufe des verwichenen Monaths wurden die meisten der noch verbliebenen Kohlensäcke über das Eis transportirt, dergestalt daß viele Feuer leuchteten, als mein Blick zuerst auf das Lager fiel. Einige brannten in Ringen aus Steinen, andere in vier hohen Kohlenpfannen, welche aus der verheerenden Carnevalsglut gerettet wurden.
    So bot sich dem Betrachter ein prachtvolles Leuchten dar, zu welchem sich noch so manche Fackel und Laterne gesellte.
    Nachdem ich mehrere Tage an diesem Orte zugebracht habe, scheint er mir doch mehr Ähnlichkeit mit einem Piratenlager zu besitzen denn mit einem Lager des Achilleus, des Odysseus, des Agamemnon und anderer homerischer Helden. Unser aller Gewänder sind zerlumpt, schäbig und viele Male reparirt. Die meisten Männer sind krank und vermögen sich nur hinkend fortzubewegen. Die Gesichter unter den bisweilen buschigen Bärten sind bleich und ausgemergelt. Ihre Augen starren aus eingesunkenen Höhlen.

    Schwankend und wankend schlurfen sie herum, und ihre Bootsmesser hängen in klappernden, abgeschnittenen Bajonettscheiden, welche an grob um die Plünnen gegürteten Riemen befestigt sind. Hierin folgen sie einem Einfall Capitain Croziers, gleich wie mit jenen aus Draht gefertigten Brillen, die sie an sonnigen Tagen aufsetzen, um sich vor Schneeblindheit zu schützen. Im Ganzen geben sie das Bild eines pöbelhaften Haufens von Raufbolden ab.
    Und die meisten von ihnen weisen Symptome von Scorbut auf.
    Im Lazarettzelt gibt es reichlich Arbeit für mich. Die Schlittentrupps haben es auf sich genommen, ein Dutzend Pritschen über das Eis und die fürchterlichen Pressrücken zu schleppen. Indeß befinden sich im Augenblicke zwanzig Männer im Lazarett, von welchen daher acht mit Deckenlagern auf dem eisigen Boden vorliebnehmen müssen. Während der langen Nächte spenden uns drey Öllampen Licht.
    Die meisten Patienten im Lazarette leiden unter Scorbutbeschwerden, doch nicht alle. Auch der Gefreite Heather befindet sich wieder unter meiner Obhut, und abermals schimmert mir beim Betreten des Zelts der Gold-Sovereign entgegen, welchen Dr. Peddie auf seinen Schädel schraubte, um das Loch abzudecken, das die wüthende Bestie dem Bedauernswürdigen ins Gebein geschlagen. Seit Monathen sorgen die Seesoldaten nun schon treulich für ihren Kameraden und wollten dies auch hier im Lager so halten, nachdem der Gefreite auf seinem eigenen, von Mr. Honey angefertigten Schlitten hierher geschafft worden. Doch die Kälte während des drey Tage und Nächte währenden Transportes hat eine Pneumonie hervorgerufen. Ich vermag mir nicht vorzustellen, daß der Seesoldat, welcher bis dato einen bestürzend zähen Überlebenswillen bewiesen hat, noch lange unter uns weilen wird.
    Ein weiterer, noch schlimmerer Fall ist der des Zweyten Steuermanns Henry Foster Collins, welcher durch den Angriff des schrecklichen Scheusals einen Arm und ein Auge verloren hat. Er ist noch immer nicht aus seiner tiefen Ohnmacht erwacht und inzwischen stark abgemagert, weil er kaum Nahrung aufnehmen kann. Auch mit seinem Tode ist stündlich zu rechnen.

    Ferner ist der Matrose David Leys hier, welchen seine Schiffsmaaten Davey nennen. An seinem Stupor universalis hat sich seit Monathen nichts geändert, und nun kann er seit der Überfahrt – welche er mit mir im selben Trupp bewältigt hat – zudem nicht einmal mehr dünnsten Brei und Wasser bei sich behalten. Heute ist Samstag. Ich vermuthe, daß Leys spätestens am Mittwoch von uns gehen wird.
    Der mit ungeheuerlichen Anstrengungen verbundene Transport der Boote und der schweren Ausrüstung vom Schiffe hierher zur Insel, bei dem es Hügelkämme zu bewältigen galt, welche ich auch ohne Zuglast kaum zu erklimmen vermochte, hat als unvermeidliche Consequenz zahlreiche Prellungen und sogar Brüche nach sich gezogen, deren ich mich anzunehmen hatte. Von besonderem Ernste ist die mehrfache Armfractur des Matrosen Bill Shanks. Nach der Einrichtung des Knochens behielt ich den Patienten hier, um einer Sepsis vorzubeugen, da das Gewebe und die Haut an zwey Stellen von scharfen Knochensplittern durchstoßen worden waren.
    Freilich geht die hauptsächliche Bedrohung in diesem Zelt vom Scorbut aus.
    Sein erstes Opfer wird er wohl in Mr. Hoar finden, dem persönlichen Steward von Capitain Fitzjames. Den längsten Theil des Tages ist er nicht mehr bei Bewußtseyn. Wie Leys, Collins und Heather mußte auch er die fünfundzwanzig Meilen lange Strecke zwischen unserem verlassenen Schiff

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