Terror
und dem Terror -Lager auf dem Schlitten gezogen werden.
Edmund Hoar stellt ein characteristisches, wiewohl unvermuthet frühes Exempel für den Fortschritt der uns alle bedrohenden Krankheit dar. Der Capitainssteward ist noch jung an Jahren – in wenig mehr als zwey Wochen, nämlich am 9. May, vollendet er sein siebenundzwanzigstes Lebensjahr. Allerdings ist zu bezweifeln, daß er diesen Geburtstag noch erleben wird.
Mit seinen sechs Fuß ist Hoar ein großer Mann, welcher sich allem Anschein nach bester Gesundheit erfreute, als die Expedition in See stach. Stets gewandt, klug, wach und bestimmt in der Ausführung seiner Pflichten, war er für einen Aufwärter von außergewöhnlich athletischer Statur. Während der Lauf- und Tauziehwettbewerbe, die während des Winters
1845/46 im Eise auf der Beechey-Insel häufig abgehalten wurden, war Hoar meist der Anführer der siegreichen Mannschaft.
Erste Anzeichen von Scorbut traten bei ihm bereits im vergangenen Herbste auf – Müdigkeit, Abgeschlagenheit, zunehmende Verwirrung –, doch kam die Krankheit erst nach dem unglückseligen Venezianischen Carneval voll zum Ausbruch. Bis in den Februar hinein bediente er Capitain Fitzjames sechzehn Stunden und mehr am Tage, doch endlich versagten ihm die Kräfte.
Das erste an Mr. Hoar zu erkennende ernste Symptom war jenes, welches die Seeleute die Dornenkrone heißen. Aus Edmund Hoars Kopfhaut sickerte das Blut. Erst waren es seine Mützen, die Tag für Tag Blutflecken aufwiesen, dann seine Unterhemden und schließlich seine Unterhosen.
Nach genauer Beobachtung habe ich festgestellt, daß das Blut im Haar unmittelbar durch die Follikel dringt. Manche Seeleute trachten dieses Symptom zu vermeiden, indem sie sich den Schädel kahl scheren, welche Maaßnahme natürlich völlig ungeeignet ist. Da nunmehr bereits bei der Mehrheit der Männer Welsh Wigs, Mützen, Schals und sogar Kissen vom Blute getränkt werden, behelfen sich die Matrosen und Officiere damit, unter ihrer Kopfbedeckung Handtücher zu tragen und auch nachts ihr Haupt auf selbige zu betten.
Dies ändert selbstredend nichts daran, daß sie es als peinlich und qualvoll empfinden, aus allen behaarten Körperstellen zu bluten.
Die ersten Hämorrhagien unter Edmund Hoars Haut bildeten sich im Januar. Obgleich die Wettkämpfe im Freien nur noch eine ferne Erinnerung waren und Mr. Hoar sich im Zuge seiner Pflichten nur selten genöthigt sah, das Schiff zu verlassen und große körperliche Anstrengungen auf sich zu nehmen, zeigte sich schon die geringste Prellung an seinem Körper als riesiger rother und blauer Fleck, der schier nicht mehr heilen wollte. Der kleinste Kratzer, den er sich beim Kartoffelschälen oder Fleischschneiden zuzog, blieb offen und blutete wochenlang.
Ende Januar waren Mr. Hoars Beine bis zum Doppelten ihres gewöhnlichen Umfangs angeschwollen. Er mußte sich schmutzige Hosen von beleibteren Schiffsmaaten ausborgen, um seinen Capitain in bekleidetem
Zustande bedienen zu können. Der wachsende Schmerz in seinen Gelenken raubte ihm den Schlaf. Seit Anfang März wird dem Capitainssteward jede Bewegung zur Qual.
Den ganzen März hindurch beharrte Hoar darauf, nicht im Lazarette der Erebus zu bleiben. Es drängte ihn, in seine Kajüte zurückzukehren und sich wieder um Capitain Fitzjames zu kümmern. Sein blondes Haar war nun ständig mit getrocknetem Blute bedeckt. Seine geschwollenen Arme, Beine und sein Gesicht wirkten teigig und blaß. Mit jedem Tage, an dem ich seine Haut untersuchte, verlor sie noch mehr an Spannkraft. Wenn ich in der Woche vor der Zerstörung der Erebus fest in Edmund Hoars Muskelfleisch drückte, blieb die Vertiefung bestehen, und ein neuer Bluterguß zog Fäden zu den anderen Hämorrhagien, welche seine Haut marmorirten.
Mitte April war Hoars gesamter Körper zu einem aufgedunsenen, mißgestalteten Klumpen aufgequollen. Sein Gesicht und seine Hände waren verfärbt von der Gelbsucht. Seine Augen leuchteten gelb, welches durch das Bluten aus den Brauen nur noch bestürzender anmuthete.
Obwohl ich und mein Gehülfe alle erdenkliche Mühe walten ließen, um den Patienten mehrmals am Tage zu drehen und zu bewegen, war Hoar zu dem Zeitpuncte, als wir ihn von der zum Untergang verurtheilten Erebus trugen, mit wundgelegenen Stellen bedeckt, aus welchen sich rötlich braune Eiterbeulen gebildet hatten. Auch in seinem Gesicht, vornehmlich neben der Nase und dem Munde, befanden sich Schwären, welche unablässig Pus und Blut
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