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Terror

Terror

Titel: Terror Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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legte. Er wusste, dass die anderen Männer das Gleiche dachten. Eine volle Meile weniger als gestern. Als jedoch immer mehr Leute wegen Krankheit oder Erschöpfung zusammenbrachen, befahl Crozier den Wachen, ihre Flinten und Büchsen auf den Schlitten zu verstauen und sich beim ersten Tageslicht ins Geschirr einzureihen. Jeder, der noch gehen konnte, hatte mitzuziehen.
    Ohne Wachen mussten sie auf das klare Wetter vertrauen. Sobald die Sonne aufging, wurde King-William-Land als brauner Flecken sichtbar. Der Wall aus hohen Eisbergen und zusammengedrücktem Küsteneis schimmerte fern im dünnen, kalten Licht wie eine Barriere aus zerbrochenem Glas. Zumindest war es bei diesem Wetter unmöglich, dass sie die alten Schlittenspuren aus den Augen verloren und dass sich das Wesen aus dem Eis heimlich anschlich.
    Doch es war da. Sie konnten es sehen – ein kleiner Punkt südwestlich von ihnen, der sich viel schneller bewegte als sie mit ihrer schweren Last.
    Mehrmals am Tag löste sich Crozier oder Little aus den Gurten und zog das Sehrohr aus der Tasche, um über die endlose Weite des Eises Ausschau nach dem Geschöpf zu halten.
    Es befand sich mindestens zwei Meilen hinter ihnen und bewegte sich auf allen vieren. Aus dieser Entfernung sah es aus wie ein Polarbär von der Art, wie sie sie in den letzten drei Jahren häufig erlegt hatten. Das änderte sich allerdings, wenn es sich auf die Hinterbeine stellte, um witternd in ihre Richtung zu starren. Dann schienen die Eisbrocken und kleineren Hügel plötzlich zu schrumpfen.
    Das Ungeheuer weiß, dass wir die Schiffe aufgegeben haben. Crozier spähte angestrengt durch sein Fernrohr, das vom vielen Gebrauch an beiden Polen zerschrammt und abgewetzt war. Es kennt unser Ziel. Es will vor uns dort sein.

    Den ganzen Tag zogen sie weiter und machten nur bei Sonnenuntergang am Nachmittag halt, um gefrorene Brocken aus Büchsen zu essen. Ihre Rationen an Salzfleisch und schalem Zwieback waren aufgebraucht. In den Minuten bevor sich die Dunkelheit tintengleich über den Himmel ausbreitete, schimmerten die Eismauern, die King-William-Land vom Packeis trennten, wie eine Stadt mit zehntausend brennenden Gaslampen.
    Sie hatten noch immer vier Meilen vor sich. Inzwischen lagen acht Männer auf den Schlitten, drei von ihnen bewusstlos.
    Ungefähr um zwei Glasen der Mittelwache durchquerten sie die große Eisbarriere zwischen Meer und Land. Hier war der Weg trotz der vielen Schlittenzüge in den letzten Wochen nicht leichter geworden, weil durch die Bewegung des Eises viele neue Brocken herabgestürzt waren. Der Wind blieb schwach, aber die Temperaturen sanken weiter. Als zusätzliche Leinen gespannt werden mussten, um die Schlitten über eine dreißig Fuß hohe Eismauer zu hieven, nahm Leutnant Little seine nächste Messung vor. Sie lautete auf minus dreiundsechzig Grad.
    Obwohl er immer noch arbeitete und Befehle erteilte, befand sich Crozier schon seit Stunden in einem tiefen Schacht der Erschöpfung. Als er bei Sonnenuntergang zum letzten Mal nach dem Geschöpf Ausschau gehalten hatte, das sie inzwischen überholt und mit gewandten Sprüngen die Eismauer bezwungen hatte, hatte er den Fehler gemacht, kurz seine Fäustlinge und Handschuhe auszuziehen, um Positionsangaben in sein Logbuch einzutragen. Dann hatte er gedankenverloren wieder nach dem Sehrohr gegriffen, und seine Fingerspitzen und eine Handfläche waren sofort am Metall festgefroren. Als er sich losriss, zog er sich an vier Fingern der rechten Hand und an der linken Handfläche die Haut bis aufs nackte Fleisch herunter.
    In der Arktis verheilten solche Wunden schlecht, vor allem wenn schon die ersten Symptome von Skorbut eingesetzt hatten.
Crozier hatte sich von den anderen abgewandt und sich vor Schmerzen übergeben müssen. Das endlose Zerren, Ziehen, Heben und Schieben der folgenden Stunden machte das grausame Brennen an den verletzten Händen immer schlimmer. Vom Druck der Geschirrgurte hatte er Blutergüsse an Armen und Schultern.
    Um drei Glasen rangen sie mit den letzten Eisbergen, und am klaren, mörderisch kalten Himmel leuchteten zuckend die Sterne und Planeten. Kurz streifte Crozier der Gedanke, alle Schlitten stehen zu lassen und auf schnellstem Wege zum Terror -Lager zu marschieren, das immer noch eine Meile entfernt war. Morgen konnten sie mit anderen Männern durch das gefrorene Geröll und die Schneewechten zurückkehren, um diese schwere Last über das letzte Stück zu schleppen.
    Doch Francis Crozier war

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