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Terror

Terror

Titel: Terror Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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haben. Sie sind weg.«
    »Andenken?« Croziers Stimme klang wie ein Reibeisen. »Haben unsere Leute etwa …«
    »Nein, Sir«, entgegnete Farr. »Wir haben einige Körbe, Kochtöpfe und andere Sachen vom Schlitten geworfen, um Platz für Leutnant Irvings Leiche zu schaffen. Wir waren alle die ganze Zeit zusammen, bis wir das Lager erreicht haben. Keiner ist zurückgeblieben.«
    »Von den Töpfen und Körben fehlen allerdings auch ein paar«, sagte Hodgson.
    »Einige von den Spuren hier könnten neuer sein, aber es ist schwer zu erkennen, weil der Wind das meiste verweht hat«, stellte der Bootsmannsmaat Johnson fest.
    Der Kapitän ging von einer Leiche zur nächsten und drehte sie um, wenn sie auf dem Bauch lagen. Er betrachtete die Gesichter, als wollte er sie sich für immer einprägen. Peglar bemerkte, dass unter den Toten ein Junge war. Der weit klaffende Mund der alten Frau schien im Tod zu einem ewigen, lautlosen Schrei erstarrt.
    Überall war Blut. Einer der Eingeborenen war offensichtlich aus kürzester Entfernung von einer Schrotladung getroffen worden, vielleicht nachdem er schon von einer Büchsenkugel niedergestreckt worden war. Sein Hinterkopf war zur Gänze verschwunden.
    Nachdem er ein Gesicht nach dem anderen eindringlich studiert
hatte, als könnten sie ihm Antwort auf seine Fragen geben, stand Crozier auf. Goodsir, der die Toten ebenfalls eingehend gemustert hatte, schob seinen Schal nach unten, um dem Kapitän etwas ins Ohr zu flüstern. Crozier wich einen Schritt zurück und blickte Goodsir erstaunt an. Doch dann nickte er.
    Daraufhin ließ sich der Arzt neben einem toten Eskimo auf ein Knie nieder und zog mehrere chirurgische Instrumente aus seiner Tasche, unter anderem ein langes, gezacktes Messer, das Peglar an die Eissägen erinnerte, mit denen sie auf dem Lastdeck der Terror Eisstücke aus den Wassertanks geschnitten hatten.
    »Dr. Goodsir möchte ein paar von den Wilden am Magen untersuchen«, erklärte Crozier.
    Peglar konnte sich vorstellen, dass er nicht der Einzige war, der sich darüber wunderte. Aber niemand stellte Fragen. Die Empfindlicheren  – unter anderem drei Seesoldaten – wandten den Blick ab, als der schmächtige Arzt die Pelzkleidung des ersten Toten auseinanderriss und in den Bauch schnitt. Das Geräusch der Metallzähne im hartgefrorenen Fleisch klang für Peglar wie das Sägen von Holz.
    »Kapitän, wer könnte denn die Waffen und die Kleider weggenommen haben?«, fragte der Unterleutnant Thomas. »Die zwei, die entkommen sind?«
    Crozier nickte zerstreut. »Oder andere aus ihrem Dorf, obwohl ich mir nicht vorstellen kann, dass es auf dieser gottverlassenen Insel ein Dorf gibt. Vielleicht haben die Leute hier zu einem größeren Jagdtrupp gehört, der sein Lager in der Nähe hatte.«
    »Die hatten so viel zum Essen dabei«, warf Leutnant Le Vesconte ein. »Bei einem größeren Jagdtrupp wäre es bestimmt noch viel mehr. Das würde vielleicht für alle einhundertfünf von uns reichen.«
    Leutnant Little lächelte über seinem hochgeschlagenen Kragen. »Möchtest du gern derjenige sein, der in ihr Dorf reinspaziert
und sie höflich um Essen oder Ratschläge zur Jagd bittet, Henry? Nach all dem, was hier passiert ist?« Little deutete auf die erstarrten Leichen und die roten Flecken im Schnee.
    »Ich glaube, wir müssen sofort aus dem Lager und von der Insel verschwinden.« Hodgsons Stimme bebte. »Die werden uns einfach im Schlaf umbringen. So wie sie es mit John gemacht haben.« Sichtlich beschämt verstummte er.
    Peglar betrachtete den jungen Offizier. Wie allen anderen waren Hodgson die Unterernährung und die Erschöpfung anzumerken, aber er schien weniger stark an Skorbut zu leiden. Peglar fragte sich, ob er ebenfalls allen Mut verlieren würde, wenn er etwas derart Schreckliches erlebt hätte wie Hodgson.
    Mit leiser Stimme wandte sich Crozier an den Bootsmannsmaat. »Thomas, klettern Sie bitte auf den nächsten Hügel, um sich umzusehen. Mich interessiert in erster Linie, ob Spuren von hier wegführen … und wenn ja, was für welche und wie viele.«
    »Aye aye, Sir.« Der bullige Unteroffizier stapfte durch tiefen Schnee die Anhöhe hinauf, bis er oben auf dem dunklen Steingrat angekommen war.
    Peglar ertappte sich dabei, dass er Goodsir beobachtete. Der Arzt hatte den ausgedehnten, rosig grauen Magen des ersten Eskimos aufgeschnitten und sich dann die Alte und zuletzt den Jungen vorgenommen. Es war ein überaus grausiges Schauspiel. Jedes Mal öffnete

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