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Terror

Terror

Titel: Terror Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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ich.«
    »Warum?«
    »Kann ich bitte meine Jacken und Plünnen wieder anziehen, Kapitän Crozier? Es is wirklich saukalt hier …«
    »Nein. Ziehen Sie Ihr Wams und die Wollhemden aus. Warum haben Sie sich Sorgen um Leutnant Irving gemacht?«

    »Wenn Sie Angst haben … das heißt, wenn Sie meinen, dass ich verletzt worden bin, Sir, da kann ich Sie beruhigen. Die Wilden ham mich gar nich zu Gesicht gekriegt. Ich hab wirklich keine Wunden, das schwör ich Ihnen.«
    »Runter mit dem Wollhemd. Also, warum haben Sie sich Sorgen um Leutnant Irving gemacht?«
    »Na ja, die Maaten und ich … Sie wissen schon, Sir.«
    »Nein.«
    »Wir waren unruhig, wissen Sie, weil einer von unserer Gruppe sozusagen abgängig war. Außerdem war mir auch kalt, Sir. Wie wir unsere kleine Ration verdrückt ham, ham wir nur so rumgesessen. Da hab ich mir gedacht, Sir, ich lauf mal ein Stück und geh dem Leutnant nach, um zu schauen, ob auch alles in Ordnung is bei ihm, und dann wird mir auch wieder warm.«
    »Zeigen Sir mir Ihre Hände.«
    »Verzeihung, Sir?«
    »Ihre Hände.«
    »Jawohl, Sir. Entschuldigen Sie, dass ich so am Zittern bin, Sir. Mir war den ganzen Tag noch nich warm, und wo ich jetzt auch noch bis aufs Hemd ausgezogen bin …«
    »Drehen Sie sie um. Handflächen nach unten.«
    »Aye aye, Sir.«
    »Ist das da Blut unter Ihren Nägeln, Mr. Hickey?«
    »Kann schon sein, Sir. Sie wissen ja, wie das is.«
    »Nein, erklären Sie es mir.«
    »Na ja, wir ham ja schon seit Monaten kein richtiges Wasser mehr, wo wir uns waschen können. Und mit dem Skorbut und der Ruhr, da kommt es schon mal vor, dass man ein bisschen blutet, wenn man auf den Abtritt muss …«
    »Wollen Sie damit sagen, dass sich ein Unteroffizier der Royal Navy auf meinem Schiff den Arsch mit den Fingern abwischt, Mr. Hickey?«

    »Nein, Sir … ich meine … kann ich meine Sachen jetzt bitte wieder anziehen? Sie sehen doch, dass ich nich verwundet bin und gar nix. Bei der Kälte schrumpfen einem ja die …«
    »Ziehen Sie Hemden und Unterhemden aus.«
    »Meinen Sie das ernst, Sir?«
    »Warten Sie lieber nicht darauf, dass ich die Frage noch mal stelle, Mr. Hickey. Wir haben hier keinen Schiffskerker. Wer zum Kerker vergattert wird, wird an eins der Walboote gekettet.«
    »So, Sir. Das wär’s. Nur noch meine nackte, frierende Haut. Wenn mich meine Alte so sehen könnte …«
    »In Ihren Heuerpapieren steht nichts davon, dass Sie verheiratet sind, Mr. Hickey.«
    »Ach, meine Louisa is ja schon fast sieben Jahre tot, Sir. An den Blattern is sie gestorben. Gott sei ihrer Seele gnädig.«
    »Warum haben Sie einigen Männern vor dem Mast gesagt, dass Leutnant Irving als Erster dran glauben muss, wenn es den Offizieren an den Kragen geht?«
    »So was hab ich nie gesagt, Sir.«
    »Ich habe Berichte über diese und ähnliche aufrührerische Äußerungen aus Ihrem Mund, die schon vor dem Karneval an Silvester gefallen sind, Mr. Hickey. Warum hatten Sie es auf Leutnant Irving abgesehen? Was hatte er Ihnen getan?«
    »Überhaupt nix, Sir. Und ich hab auch nie so was gesagt. Holen Sie den Mann her, der so was behauptet, damit ich ihm ins Gesicht spucken kann.«
    »Was hat Ihnen Leutnant Irving getan, Mr. Hickey? Warum haben Sie ihn vor mehreren Männern von der Erebus und Terror als verlogenen Hurensohn beschimpft?«
    »Ich schwör Ihnen, Kapitän Crozier … entschuldigen Sie, dass meine Zähne klappern, Sir, aber die Luft is wirklich verdammt kalt auf der nackten Haut. Ich schwör Ihnen, so was hab ich nie gesagt. Für viele von uns war der arme Leutnant Irving wie so eine Art Sohn, Sir. Wie ein Sohn. Und nur weil ich mir da draußen
Sorgen um ihn gemacht habe, bin ich ihm heute nach. Zum Glück, Sir. Sonst hätten wir diese mörderischen Schweinehunde nie gekriegt …«
    »Ziehen Sie Ihre Plünnen wieder an, Mr. Hickey.«
    »Aye aye, Sir.«
    »Nein, machen Sie es draußen. Gehen Sie mir aus den Augen.«
     
     
    »Der Mensch, vom Weibe geboren, lebt kurze Zeit und ist voll Unruhe«, rief Fitzjames in singendem Ton. »Er geht auf wie eine Blume und fällt ab, flieht wie ein Schatten und bleibet nicht.«
    Mit größter Sorgfalt ließen Hodgson und die anderen Träger die Bahre mit Irvings segeltuchbedecktem Leichnam zu den Tauen hinunter, die von mehreren der gesünderen Seeleute über dem flachen Loch festgehalten wurden.
    Hodgson und Irvings andere Freunde hatten nacheinander das Obduktionszelt aufgesucht, um dem Leutnant die letzte Ehre zu erweisen, bevor er von

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