Terror
Nachricht vernahm. Sogar seine Lippen wurden weiß wie das verhaßte Packeis, welchem wir nun bereits seit drey Jahren trotzen.
Aber so sehr ich Leutnant Irving auch zugethan war und ihn schätzte, ich hatte meiner ärztlichen Pflicht zu genügen und alle Erinnerungen an eine angenehme Bekanntschaft hintanzusetzen.
So machte ich mich daran, die Reste von Leutnant Irvings Kleidern zu entfernen. Vom Wams bis zur Unterwäsche waren die Knöpfe abgerissen, und der Stoff war von dem geronnenen Blut zu eisenharten, faltigen Knäueln gefroren. Mein Gehülfe Henry Lloyd ging mir zur Hand, während ich Irvings Leib wusch. Das Wasser, welches Mr. Diggles Maaten vermittels der hierher geschafften Kohle aus Eis und Schnee geschmolzen hatten, war zwar kostbar, aber es war ein Geboth der Menschlichkeit, den jungen Leutnant auf diese Weise zu ehren.
Es war nicht nothwendig, die bei einer Leichenschau übliche Incision von den Beckenknochen hinauf bis zum Sternum durchzuführen, da Leutnant Irvings Mörder dies bereits gethan hatten.
Wie gewöhnlich fertigte ich mit vor Kälte schmerzenden Fingern Notizen und Zeichnungen zum Fortschritte meiner Arbeit an. Die Todesursache ist gewiß kein Räthsel. Leutnant Irving verblutete an einer Halswunde, welche von mindestens zwey grausamen Hieben einer glatten Klinge herrührt. Ich hege ernste Zweifel daran, daß im Körper des unglückseligen jungen Officiers auch nur eine Pinte Blut verblieben ist.
Trachea und Larynx wurden durchtrennt, und auf den freigelegten Halswirbeln sind Messerkerben zu erkennen.
Die Bauchhöhle wurde vermittels wiederholter Schnitte einer kurzen Klinge durch Haut, Fleisch und verbindendes Gewebe geöffnet und der größte Theil des Dünn- und Dickdarms aus selbiger entfernt. Auch Leutnant Irvings Milz und Nieren wurden mit Hülfe eines scharfen Gegenstandes zertheilt und geöffnet. Seine Leber fehlt gänzlich.
Der Penis des Leutnants wurde ungefähr einen Zoll oberhalb der Wurzel amputirt und fehlt ebenfalls. Sein Scrotum wurde entlang der Mittelachse geöffnet, und die Hoden extrahirt. Es waren mehrere Schnitte mit einem scharfen Gegenstande erforderlich, um den Hodensack, die Epididymis und die Tunica vaginalis zu durchtrennen. Möglicherweise war die Klinge des Angreifers zu diesem Zeitpuncte bereits stumpf.
Während die Hoden fehlen, sind Reste des Ductus deferens und der Urethra sowie große Theile des Bindegewebes zwischen der Peniswurzel und der Leibeshöhle erhalten geblieben.
Zwar weist der Leichnam des Leutnants, in Übereinstimmung mit der Diagnosis eines fortgeschrittenen Scorbutleidens, zahlreiche Hämatome auf, doch ansonsten sind keine ernsten Verletzungen festzustellen. Es scheint bemerkenswert, daß sich an den Händen und Unterarmen keinerley Schnitte befinden, welche auf Gegenwehr schließen ließen.
Es kann kaum ein Zweifel daran bestehen, daß Leutnant Irving vollkommen überrumpelt wurde. Sein Angreifer oder seine Angreifer schnitten ihm die Kehle durch, ehe er auch nur die geringste Gelegenheit hatte, sich zu verteidigen. Erst danach machten sie sich daran, ihn vermittels wiederholter Schnitte auszuweiden und zu entmannen.
Um den Leichnam des Leutnants für die Bestattung vorzubereiten, nähte ich seinen Hals zusammen, so gut es mir eben gelingen mochte. Des weiteren legte ich Etwelches an verrottbarem Stoff – eine zusammengefaltete Jacke aus dem Besitze des Verstorbenen – in seine Bauchhöhle, dergestalt daß selbige unter seiner Uniform nicht so offensichtlich leer und eingefallen aussehen möge. Endlich traf ich Anstalten, auch die Leibeshöhle nach besten Kräften zu vernähen, welches wegen des beschädigten oder fehlenden Gewebes keine leichte Aufgabe war.
Aber zuerst entschloß ich mich zu einem ungewöhnlichen Schritt.
Ich öffnete Leutnant Irvings Magen.
Vom Standpuncte des Leichenbeschauers lag hierfür kein zwingender Grund vor. Die Todesursache stand zweifelsfrei fest. Es gab auch keinen Anlaß, nach Krankheiten oder chronischen Leiden zu forschen, denn es ist keine Neuigkeit, daß wir alle bis zu einem gewissen Grade vom Scorbut befallen sind und langsam, aber sicher verhungern.
Dennoch mußte ich mir den Magen ansehen. Er war merkwürdig erweitert – mehr als dies durch Fäulniß und Blähung bei dieser außerordentlichen Kälte möglich schien. Die Obduction hätte unvollkommen bleiben müssen, wäre ich dieser Anomalie nicht auf den Grund gegangen.
Sein Magen war voll.
Kurz vor seinem Tode hatte
Weitere Kostenlose Bücher