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Terror

Terror

Titel: Terror Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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nebst den zehntausend Kisten mit conservirtem Fleische auch über ein Erkleckliches an Büchsenrationen verfügen, die gekochtes und gebratenes Lamm, Kalb, Erdäpfel, Mohrrüben, Pastinaken und weiteres, theils auch gemischtes Gemüse, eine große Auswahl an Suppen sowie neuntausendvierhundertfünfzig Pfund Chocolade enthalten. Ferner befindet sich eine fast gleich große Menge – neuntausenddreihundert Pfund – Citronensaft an Bord, welcher als unser wichtigstes Antiscorbuticum dient. Allerdings setzte mich Stanley davon in Kenntniß, daß die gemeinen Seeleute ihre tägliche Ration Citronensaft verabscheuen, auch wenn sie ihnen großzügig mit Zucker versüßt wird, und daß eine unserer wesentlichen Aufgaben als Expeditionsärzte darin besteht, sie zur pünctlichen Einnahme dieser Arzney anzuhalten.
    Bemerkenswert dünkt mich die Thatsache, daß fast sämmtliche Officiere und Seeleute unserer Expedition zum Zwecke der Jagd Schrotflinten gebrauchen. Dabei versichert mir Leutnant Gore, daß beide Schiffe ein ansehnliches Arsenal an Büchsen mit sich führen. Es mag gewiß sinnvoll seyn, für die Jagd auf solcherley Vögel, wie sie am heutigen Tage zu Hunderten erlegt wurden, Flinten zu benutzen, aber schon in der Disko-Bucht, als kleine Partien zur Jagd auf Rennthiere und Blaufüchse aufbrachen, bevorzugten die Männer ganz offenkundig die Flinte, obwohl zum mindesten die Seesoldaten sicherlich im Gebrauche der Büchse unterwiesen wurden. Dies wird seine Ursache vermuthlich ebensosehr in der Gewohnheit wie in der Neigung haben; die Officiere sind in ihrem Herzen englische Edelleute, die zur Jagd niemals Büchsen benutzen würden; und auch die Seesoldaten haben sich zeit ihres Lebens, so nicht bei Seegefechten im Nahkampfe einschüssige Waffen eingesetzt wurden, fast ausschließlich der Flinte bedient.
    Sind Flinten stark genug, um des großen Weißen Bären Herr zu werden? Noch haben wir keines dieser wundersamen Geschöpfe erblickt, jedoch wissen alle erfahrenen Officiere und Seeleute zu vermelden, daß wir
ihnen begegnen werden, sobald wir ins Packeis vorstoßen, oder spätestens wenn wir überwintern – sollten wir dazu genöthigt seyn. Die Erzählungen der Walfänger über den geheimnißvollen Weißen Bären sind wahrhaft erstaunlich und schrecklich.
    Während ich diese Worte notire, werde ich unterrichtet, daß die Strömung, der Wind und vielleicht noch andere Nothwendigkeiten ihres Geschäfts die beiden Walfänger Prince of Wales und Enterprise von unserem Liegeplatz am Eisberge fortgetragen haben. So wird Capitain Sir John nicht wie vorgesehen mit einem der Capitaine – Capitain Martin von der Enterprise , wenn ich mich recht entsinne – zu Abend speisen.
    Von größerer Bedeutung mag freilich seyn, was mir Unterleutnant Robert Sargent soeben mitgetheilt hat: Unsere Männer bauen die astronomischen und meteorologischen Geräthschaften ab, brechen das Zelt ab und holen die vielen Seile – Leinen – ein, mit deren Hülfe ich am Morgen den Gletscher bezwungen habe.
    Offenbar haben die Eislothsen, Capitain Sir John, Commander Fitzjames, Capitain Crozier und die anderen Officiere den verheißungsvollsten Weg durch das tückische Packeis ausgemittelt.
     
    Binnen weniger Minuten schon werden wir aus unserem kleinen Eisberg-Hafen ablegen und nach Nordwesten segeln, solange es uns das schier endlose arctische Dämmerlicht gestattet.
    Von nun an werden wir selbst der Reichweite der tapferen Walfänger entzogen seyn. Für die Welt, in welche unsere kühne Expedition jetzt vordringt, gelten nur noch Hamlets Worte: Der Rest ist Schweigen.

5
Crozier
    70°05′ NÖRDLICHE BREITE | 98°23′ WESTLICHE LÄNGE
9. NOVEMBER 1847
     
     
     
    C rozier hat gerade von dem Picknick am Schnabeltierweiher und von Sophia geträumt, die unter Wasser die Hände über ihn gleiten lässt, als ihn ein dröhnender Schuss aus dem Schlaf reißt.
    Er fährt in seiner Koje auf, ohne zu wissen, ob Tag oder Nacht ist. Allerdings macht das seit heute ohnehin keinen Unterschied mehr. Die Sonne ist verschwunden und wird erst im Februar wieder aufgehen. Doch schon bevor er die kleine Laterne in seiner Kajüte anzündet, um auf die Uhr zu sehen, ist er sicher, dass es spät ist. Auf dem Schiff ist es still geworden; ruhig bis auf das Ächzen von gequältem Holz und Metall; ruhig bis auf das Schnarchen, das Murmeln, das Furzen der schlafenden Männer und die Flüche des Kochs; ruhig bis auf das unaufhörliche Stöhnen und Dröhnen,

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