Terror
Hornbys Tonfall gleicht halb dem Knurren einer Dogge und halb dem Schnauben eines Stiers.
»Mr. Hornby«, befiehlt Crozier, »schicken Sie den Vollmatrosen Crispe nach unten. Er soll seine Hängematte raufbringen, damit wir den Gefreiten Heather hinuntertragen können – aber schnell.«
»Aye aye, Sir«, antworten Hornby und der Seemann gemeinsam. Dann ist das Stampfen von Stiefeln zu spüren, wenn auch im Heulen des Windes nicht zu hören.
Crozier erhebt sich und lässt die Laterne im Kreis herumschwingen. Am unteren Ende der vereisten Wanten, wo der Gefreite Heather Wache gehalten hat, ist ein Stück des schweren Schanzkleids weggebrochen. Hinter der Lücke türmen sich dreißig Fuß hoch das Eis und der Schnee wie eine Rodelbahn, doch der größte Teil dieser abschüssigen Rampe ist in dem Schneegestöber nicht zu erkennen. In dem kleinen Umkreis, auf den der Schein von Croziers Lampe fällt, sind keine Spuren zu sehen.
Reuben Male hebt Heathers Büchse auf. »Sie wurde nicht abgefeuert, Sir.«
»Bei diesem Sturm hat der Gefreite Heather das Ungeheuer bestimmt erst bemerkt, als es ihn schon in den Fängen hatte«, bemerkt Leutnant Little.
»Was ist mit Strong?«, erkundigt sich Crozier.
Male deutet auf die andere Seite des Schiffs. »Verschwunden, Sir.«
Crozier wendet sich an Hornby. »Nehmen Sie sich einen Mann und bleiben Sie bei Heather, bis Crispe mit der Hängematte kommt. Dann bringen Sie ihn nach unten.«
Plötzlich treten beide Ärzte – Peddie und sein Assistent MacDonald – in den Lichtkreis. Peddie ist viel zu leicht bekleidet.
»Herr im Himmel.« Der Schiffsarzt kniet sich neben den Seesoldaten. »Er atmet noch.«
»Helfen Sie ihm, falls das möglich ist.« Crozier deutet auf Male und die herumstehenden Seeleute. »Ihr anderen kommt mit mir. Haltet eure Waffen schussbereit, auch wenn ihr dazu eure Fäustlinge ausziehen müsst. Wilson, Sie nehmen die zwei Laternen. Leutnant Little, bitte gehen Sie unter Deck, suchen Sie zwanzig starke Leute aus und geben Sie ihnen volle Plünnen und Büchsen. Keine Flinten, sondern Büchsen.«
»Aye aye, Sir«, brüllt Little in den Sturm, aber Crozier führt seine Schar bereits um den Schneehaufen und die schlotternde Segeltuchpyramide mittschiffs herum, um über das krängende Deck auf den Backbordausguck zuzusteuern.
William Strong ist verschwunden. Die Fetzen seines langen Wollschals haben sich in den Wanten verfangen und flattern wild im Wind. Strongs Überrock, Welsh Wig, Flinte und ein Fäustling finden sich neben dem Schanzkleid auf der Leeseite der Backbordlatrine, wo die Wachhabenden gern zusammengekauert Schutz vor den Böen suchen, aber von William Strong selbst keine Spur. Auf dem Schanzkleid glänzt ein roter Eisfleck dort, wo er gestanden haben muss, als er die riesenhafte Gestalt erblickte, die durch das Schneetreiben auf ihn zustürzte.
Ohne ein Wort schickt Crozier zwei bewaffnete Leute mit Laternen achteraus, drei andere zum Bug, und einen weiteren mittschiffs, um mit einer Lampe unter die Persenning zu leuchten.
Dann spricht er den Zweiten Unterleutnant an. »Legen Sie hier die Leiter, Bob.« Die Schultern des Unterleutnants sind verborgen unter Haufen von frischen – das heißt, noch nicht gefrorenen – Tauen, die er mit hochgebracht hat. Nach wenigen Sekunden hängt die Leiter über der Schiffsseite.
Crozier klettert als Erster hinunter.
Auf dem Eis und Schnee vor der nackten Backbordwand ist Blut zu sehen. Blutschlieren, die im Laternenlicht tiefschwarz schimmern, führen hinaus bis jenseits der Feuerlöcher in das ständig sich verändernde Gewirr aus Pressrücken und Eistürmen, die man in der Dunkelheit nur erahnen kann.
»Es will, dass wir ihm dort hinaus folgen, Sir.« Der Zweite Leutnant Hodgson beugt sich nah zu Crozier, um im Heulen des Sturms verstanden zu werden.
»Natürlich will es das«, erwidert Crozier. »Aber wir gehen trotzdem da raus. Strong lebt vielleicht noch. Wäre nicht das erste Mal bei diesem Ungeheuer.«
Crozier wendet den Blick nach hinten. Neben Hodgson sind ihm drei Männer über die Strickleiter gefolgt. Alle anderen sind damit beschäftigt, das Oberdeck abzusuchen oder den Gefreiten Heather unter Deck zu tragen. Außer der des Kapitäns gibt es nur noch eine weitere Laterne.
Crozier wendet sich an den Offizierssteward Armitage, dessen weißer Bart schon voller Schnee ist. »Thomas, geben Sie Leutnant Hodgson Ihre Laterne und begleiten Sie ihn. Gibson, Sie bleiben hier und unterrichten
Weitere Kostenlose Bücher