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Terror

Terror

Titel: Terror Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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ich, wiewohl nur civiler Officier, in Reih und Glied mit den anderen Officieren in ihren schmucken blauen Uniformjacken und unterdrückte mannhaft jegliche Gefühlsäußerung.
    Doch nur wir hielten es so. Die Seeleute schrien aus vollem Halse, wedelten mit Taschentüchern oder hingen von den Webeleinen, und ich erblickte so manche aufgeputzte Hafenmaid, die ihnen zum Abschied zuwinkte. Sogar Capitain Sir John Franklin schwenkte ein hellrothes Taschentuch, und Lady Jane, seine Tochter Eleanor und seine Nichte Sophia
Cracroft erwiderten seine Gesten aufs eifrigste, bis uns die nachfolgende Terror den Blick auf den Hafen verstellte.
    Auf diesem ersten Theil unserer Reise werden wir von Dampfschleppern gezogen. Des weiteren folgen uns die HMS Rattler , eine mächtige neue Dampffregatte, sowie das geheuerte Transportschiff Baretto Junior , welches unsere Vorräthe befördert.
    Unmittelbar vor dem Ablegen ließ sich hoch droben auf dem Großmaste der Erebus eine Taube nieder . Sir Johns Tochter aus erster Ehe, Eleanor, die in ihrem leuchtend grünen Seidenkleid und dem smaragdgrünen Sonnenschirm nicht zu übersehen war, stieß einen Schrei aus, welcher jedoch im Lärm des Jubels und der Kapellen unterging. Endlich deutete sie hinauf, bis Sir John und mehrere Officiere den Blick nach oben wandten und auch andere an Deck auf die Taube aufmerksam machten.
    Nimmt man die Worte der gestrigen Predigt hinzu, so läßt sich nach meinem Dafürhalten kein günstigeres Omen für unser Vorhaben denken.
     
     
    Den 4. Julius 1845
    Was für eine grauenvolle Fahrt über den nördlichen Atlantik nach Grönland!
    Dreißig und mehr stürmische Tage hindurch wurde das Schiff, obzwar im Schlepptau, schier ohne Unterlaß hin und her geworfen. Schlingernd und stampfend tauchte es die Wellen hinab, bis die sorgsam abgedichteten Stückpforten schwerlich vier Fuß über dem Wasser waren, und machte bisweilen kaum noch Fahrt. An achtundzwanzig der vergangenen dreißig Tage hielt mich eine furchtbare Seekrankheit in ihrem Griffe. Von Leutnant Le Vesconte erfuhr ich, daß wir nie mehr als fünf Knoten machten, was, wie er mir bedeutet, schon für ein reines Segelschiff ein ungeheuer langsames Fortkommen ist und daher erst recht für solche Wunderwerke der Technik, wie es die Erebus und unser Schwesterschiff Terror sind, als welche beide über die Kraft ihrer unbezwingbaren Schrauben verfügen.
    Vor drey Tagen umschifften wir Kap Farvel an der Südspitze Grönlands, und ich bekenne, daß die flüchtigen Blicke auf diesen riesigen Continent
mit seinen bis zum Meere hinabreichenden Felsenklippen und endlosen Gletschern mir gleichermaaßen aufs Gemüth schlugen wie das Stampfen und Rollen des Schiffes auf den Magen.
    Gütiger Gott, was für ein öder, kalter Ort! Und dies im Monath Julius.
    Dennoch sind wir guten Muthes, und jeder Mann an Bord verläßt sich blind auf Sir Johns Geschick und sicheres Urtheil. Erst gestern erklärte mir Leutnant Fairholme, der jüngste unserer Leutnanten, im Vertrauen: »Bei keinem anderen Manne, unter dem ich gesegelt bin, hatte ich bisher so sehr das Gefühl, daß der Capitain recht eigentlich mein Gefährte sey.«
    Heute legten wir an der dänischen Walfangstation in der Disko-Bucht an. Tonnen von Vorräthen werden nun von der Baretto Junior zu uns umgeladen. Selbige führte auch zehn lebende Ochsen an Bord mit sich, welche heute nachmittag geschlachtet wurden. Am Abend werden auf den beiden Expeditionsschiffen alle Mann ein Festmahl mit frischem Fleische genießen.
    An diesem Tage wurden auf den Rath von uns vier Ärzten hin fünf Theilnehmer der Expedition vorzeitig verabschiedet; sie sollen mit dem Schlepper und dem Transportschiff nach England zurückkehren. Im einzelnen sind dies zwey Mann von der Erebus – ein gewisser Thomas Burt, der Waffenmeister des Schiffs, sowie der Vollmatrose John Brown – und drey Mann von der Terror – ein Gefreiter namens William Aitken, ein Waffenmeister namens Robert Carr sowie James Elliott, der Segelmacher des Schiffs. Somit mindert sich die gesammte Besatzung der Expedition auf einhundertneunundzwanzig Mann.
    Der Geruch nach dem Dörrfisch der Dänen und eine Wolke aus Kohlenstaub schweben über allem, denn heute wurden von der Baretto Junior Hunderte von Kohlensäcken umgeladen. Die Matrosen an Bord der Erebus machen emsigen Gebrauch von den glatten Steinen, unter ihnen »Gebetbücher« geheißen, mit welchen sie unter den anfeuernden Zurufen der Officiere unermüdlich das

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