Terror
daß Magnus Manson dem Jungen die Kleider vom Leibe riß und den Todten nackt vor den Versammelten liegen ließ.
Mir schnürte es die Brust zusammen ob dieses Anblicks. In medicinischem Betrachte ist festzustellen, daß Hodgson so mager war, wie ich es bei einem Menschen nicht für möglich gehalten hätte.
Seine Arme waren nur noch Haut und Knochen. Rippen und Becken ragten so stark hervor, daß man fürchtete, sie möchten durch die Epidermis stechen. Und am gesamm ten Körper war der Junge mit Blutergüssen übersät.
Gleichwohl rief Mr. Hickey jetzt auch mich nach vorn. Er reichte mir eine Schere und forderte mich auf, sogleich mit der Section des Todten zu beginnen.
Ich verwahrte mich gegen sein Ansinnen.
In durchaus freundlichem Tone trug Hickey sein Verlangen ein zweytes Mal vor.
Wieder lehnte ich ab.
Daraufhin befahl Hickey dem Hünen, mir die Schere abzunehmen und mich nackt auszuziehen wie den Leichnam zu unseren Füßen.
Als ich meines Gewandes beraubt war, schritt Hickey vor den Männern auf und ab und deutete auf meine nackte Gestalt. Mit der Schere in der Hand stand Manson daneben.
»In unserm Brüderbund is kein Platz für Drückeberger«, rief Mr. Hickey. »Wir brauchen diesen Quacksalber zwar, weil mir die Gesundheit jedes einzelnen von euch am Herzen liegt, aber er muß dafür bestraft werden, daß er sich weigert, dem allgemeinen Wohle zu dienen. Zwey Mal hat er heute seine Verstocktheit bewiesen. Und so werden wir ihm zum Zeichen unseres Mißfallens zwey unbedeutende Leibesanhängsel nehmen.«
Dies gesagt, schickte sich der Kalfaterersmaat an, etliche Theile meiner Anatomie mit dem Revolverlauf anzustoßen: Finger, Nase, Penis, Hoden, Ohren. Dann hielt er meine Hand hoch.
»Ein Chirurgus braucht seine Finger, wenn er uns von Nutzen seyn soll«, verkündete er mit affectirten Gesten. »Die heben wir also bis zum Schluß auf.«
Die meisten Männer lachten.
»Seine Rute und seine Eier braucht er allerdings nicht.« Bei diesen Worten stieß er mit der kalten Mündung des Revolvers nach den erwähnten Körpertheilen.
Auch dies erheiterte die Männer, die offenbar schon gespannt waren auf das Kommende.
»Doch heute wollen wir noch einmal gnädig seyn.«
Dann befahl der Kalfaterersmaat dem Matrosen Manson, mir zwey Zehen abzuhacken.
»Welche zwey, Cornelius?«, begehrte der schwachsinnige Hüne zu wissen.
»Das darfst du dir aussuchen«, versetzte unser Ceremonienmeister.
Einmal mehr brachen die Männer in Lachen aus. Ich spürte ihre Enttäuschung darüber, daß ich lediglich läppische Zehen einbüßen sollte, indeß war zu erkennen, daß sie es genossen, Magnus Manson bei seinem Walten als Herr über mein phalangeales Los im Auge zu behalten. Freilich war dies nicht ihre Schuld. Die durchschnittlichen Seeleute, aus welchen sich Hickeys Schar zusammensetzt, besitzen keinerley Bildung und betrachten jeden mit Abscheu, der sich hierin von ihnen unterscheidet.
Manson entschied sich für meine großen Zehen.
Lachend klatschte das Publicum Beifall.
Rasch war die Schere angelegt, und Mansons große Körperkraft wirkte sich bei dem Geschehen zu meinem Vortheile aus.
Sogleich wurde mein Arztkoffer gebracht, und unter vergnügter Antheilnahme beobachtete man, wie ich wichtige Adern abband, die Blutung stillte, so gut es angehen mochte, und die Wunden mit einem ersten Verband versorgte.
Da ich nicht mehr aufrecht stehen konnte, wurde Manson angewiesen, mich in mein Zelt zu tragen. Er nahm sich meiner mit rührender Zärtlichkeit an, wie eine Mutter, die ihr krankes Kind pflegt.
An diesem Tage hielt es Mr. Hickey auch für angezeigt, mir die Bürde meiner wirksameren Arzneyen abzunehmen. Allerdings hatte ich schon vor einiger Zeit den größten Theil des Morphiums, Opiums, Laudanums,
Dover-Pulvers, Calomels sowie der Mandragora in ein trübes Fläschchen mit der harmlosen Aufschrift »Bleyzucker« geschüttet und selbiges an einem sicheren Orte versteckt. Die fehlenden Quanta vorgenannter Arzneyen ersetzte ich mit Wasser.
Freilich ist es merkwürdig, daß Mansons Medicin für sein »Bauchweh« aus acht Theilen Wasser mit nur zwey Theilen Morphium besteht und der Riese keine geringere Wirkung zu verspüren scheint. Dies gemahnt mich einmal mehr daran, welch große Bedeutung der Glauben für die gesammte Heilkunst besitzt.
Seit Leutnant Hodgsons Dahinscheiden habe ich mich mehrere weitere Male verstockt gezeigt und dabei acht Zehen, ein Ohr und meine Vorhaut eingebüßt.
Vornehmlich
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