Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Terror

Terror

Titel: Terror Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
Vom Netzwerk:
sie unter Verschluss und gestattete Goodsir nur unter seiner strengen Aufsicht, sie Magnus oder anderen zu verabreichen. Außerdem sorgte er dafür, dass der Quacksalber keinen Zugang zu Messern hatte. Auf See ließ er Goodsir ununterbrochen bewachen, damit er sich nicht über Bord stürzte. Doch bislang hatte der Arzt keine Neigung zum Selbstmord erkennen lassen.
    Magnus’ Magenschmerzen waren inzwischen so schlimm geworden, dass er nicht nur zusammen mit Hickey in der Pinasse gezogen werden musste, sondern manchmal auch nachts keinen Schlaf fand. So etwas kannte Hickey von seinem Freund gar nicht.
    Die Ursache waren natürlich die zwei winzigen Schusswunden. Hickey zwang Goodsir, mehrmals täglich danach zu sehen, und der Quacksalber erklärte immer wieder, dass die Verletzungen nur oberflächlich waren und dass sich die Entzündung nicht ausgebreitet hatte. Sowohl Hickey als auch Magnus, der seine Hemdschöße hochhielt und beunruhigt auf seinen Bauch starrte,
wies er darauf hin, dass die Haut über dem Magen rosig und gesund aussah.
    »Warum hat er dann immer solche Schmerzen?«, fragte Hickey.
    »Das ist so bei Blutergüssen, vor allem wenn sie tief in den Muskel gehen«, erwiderte der Arzt. »Das kann wochenlang weh tun. Aber es ist nichts Ernstes und bestimmt nicht lebensgefährlich.«
    »Kannst du die Kugeln nich rausnehmen?«
    »Cornelius«, wimmerte Magnus. »Ich will nich, dass er mir meine Kugeln rausnehm tut.«
    »Nich die Kugeln, mein Engel.« Hickey tätschelte dem Hünen den Unterarm. »Ich meine die kleinen Pistolenkugeln in deinem Bauch.«
    »Vielleicht«, sagte Goodsir. »Aber es ist besser, wenn ich es nicht versuche. Zumindest solange wir marschieren. Bei der Operation müsste ich durch Muskelgewebe schneiden, das schon weitgehend verheilt ist. Da müsste Mr. Manson zur Erholung wohl mehrere Tage ruhig liegen, und es besteht natürlich immer die ernste Gefahr einer Sepsis. Sollten wir uns zu einem Eingriff entschließen, wäre es viel besser, wenn ich ihn erst im Terror -Lager oder auf dem Schiff vornehmen würde. Damit der Patient so lange wie nötig Bettruhe hat.«
    »Mein Bauch soll nich immer so weh tun«, greinte Magnus.
    »Natürlich nicht.« Hickey strich seinem riesenhaften Gefährten über Brust und Schultern. »Gib ihm sofort was von dem Morphium, Goodsir.«
    Der Arzt nickte und träufelte ein wenig von dem Schmerzmittel auf einen Löffel.
    Magnus freute sich immer über seinen Löffel Morphium. Meistens saß er dann selig lächelnd im Bug der Pinasse und schlief nach einer Stunde ein.
    So stand an diesem Freitag, den 8. September, alles zum Besten
in Hickeys Welt. Seine elf Zugtiere waren gesund und wohlauf, auch wenn sie jeden Tag schwer arbeiten mussten. Magnus war die meiste Zeit glücklich und genoss es, wie ein Offizier im Bug zu thronen und den Blick über die Landschaft schweifen zu lassen. Das Morphium und Laudanum in den Flaschen reichte bestimmt noch, bis sie beim Lager oder beim Schiff anlangten. Goodsir hinkte neben dem Tross her und kümmerte sich um den König und seinen Gemahl. Das Wetter war schön, wenngleich es allmählich kälter wurde, und von dem Wesen, das ihnen bis vor einigen Monaten nachgestellt hatte, war keine Spur zu entdecken.
    Trotz ihres kräftigen Appetits war von Aylmore und Thompson noch genug für die nächsten Tage übrig. Sie hatten herausgefunden, dass menschliches Fett ähnlich wie Waltran als brennbares Öl verwendet werden konnte, wenngleich es nicht so ausdauernd und gut brannte. Falls sie vor der Ankunft im Terror -Lager noch ein weiteres Opfer benötigten, hatte Hickey die Absicht, eine Lotterie zu veranstalten.
    Natürlich hätten sie auch die Rationen kürzen können, aber Hickey wusste, dass die Aussicht auf eine Lotterie mit Strohhalmen seinen ohnehin schon folgsamen Zugtieren einen heiligen Schrecken einjagen und ihnen auf drastische Weise vor Augen führen würde, wer der unumschränkte Herrscher dieser Expedition war. Hickey hatte schon immer einen leichten Schlaf gehabt, doch jetzt ruhte er nur noch mit einem offenen Auge und mit einer Hand auf dem Perkussionsrevolver. Ein letztes öffentliches Opfer, nach dem Magnus dem Quacksalber wahrscheinlich erneut seine gerechte Strafe erteilen musste, sollte wohl genügen, um jeden Rest von Widerstandskraft in den verräterischen Herzen seiner Zugknechte zu brechen.
    Aber fürs Erste genoss Hickey den herrlichen Tag mit Temperaturen knapp unter dem Gefrierpunkt und einem blauen Himmel, der

Weitere Kostenlose Bücher