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Terrorist

Terrorist

Titel: Terrorist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Updike
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vorne lang und spitz, Stiefel von dieser neuen Art, bei der vor den Zehen unheimlich viel Platz ist. «Mir hat man nur gesagt, ich soll auf einen Jungen warten, der entjungfert werden muss.»
    «Der was vors Rohr kriegen muss, hat er sicher gesagt.»
    «Stimmt, jetzt fällt’s mir wieder ein. Den Ausdruck hörst du ja nicht alle Tage; andere dafür öfter. Er ist dein Boss, hat er gesagt, und dass du hier arbeitest. Ursprünglich hat er mit Tylenol geredet, aber dann wollte er mich sehen und mir sagen, dass ich zu diesem bestimmten Jungen lieb sein soll. Er war groß für einen Araber und hatte so einen zuckenden, verschlagenen Mund. Ich hab mir gesagt: ‹Joryleen, trau dem Mann nicht›, aber er hat gutes Geld hingeblättert. Ordentliche, saubere Scheine.»
    Ahmed ist verblüfft; er hätte Charlie nie als Araber oder als verschlagen bezeichnet. «Sie sind Libanesen. Charlie ist rein amerikanisch aufgewachsen. Wenn man’s genau nimmt, ist er nicht mein Boss, er ist der Sohn des Besitzers, und wir liefern mit dem Laster zusammen Möbel aus.»
    «Weißt du, Ahmed, nimm’s mir nicht übel, wenn ich das sage, aber auf der Schule hätte ich bei dir mal auf ein bisschen was Gehobeneres getippt. Auf was, wo du deinen Kopf besser gebrauchen könntest.»
    «Das Gleiche könnte ich eigentlich auch von dir sagen, Joryleen. Als ich das letzte Mal genauer hingesehen habe, hattest du ein Chorgewand an. Wozu takelst du dich jetzt wie eine Nutte auf und redest vom Entjungfern?»
    Abwehrend kippt sie den Kopf nach hinten und schiebt den fettig glänzenden, korallrot geschminkten Mund vor. «Es ist ja nicht auf Dauer», erklärt sie. «Tylenol hat mich nur gebeten, ab und zu Leuten einen Gefallen zu tun, bis wir auf die Beine kommen, ein Haus für uns haben und so weiter.» Joryleen schaut sich um und wechselt das Thema. «Willst du etwa sagen, ein paar Arabern gehört das alles hier ganz allein? Wo kommt ihr Geld denn her?»
    «Du weißt nicht, wie Geschäfte funktionieren. Du leihst dir was von der Bank, schaffst einen Warenbestand, und die Zinsen setzt du dann als Kosten ab. Das nennt man Kapitalismus. Die Chehabs sind in den sechziger Jahren herübergekommen, als alles noch einfacher war.»
    «Muss es wohl gewesen sein», sagt sie und setzt sich prüfend auf eine nackte Matratze, deren aus kleinen prallen Sechsecken bestehende Oberfläche mit einem silbrigen Brokatstoff überzogen ist. Joryleens rotes Miniröckchen, kürzer als das eines Cheerleaders, erlaubt ihm einen Blick auf ihre von der Matratzenkante in die Breite gedrückten Schenkel. Er denkt daran, dass nur ihr Höschen zwischen ihrem nackten Po und dem luxuriösen Bezug liegt; bei dem Gedanken schnürt sich ihm die Kehle zusammen. Alles an ihr scheint zu schimmern – ihr grellrosa Lippenstift, ihr kurzes, zu kleinen Stacheln hochgespraytes Haar, die goldfarbenen Partikel, mit denen sie die fettige Partie um ihre Augen bestäubt hat. Um das Schweigen zu beenden, sagt sie: «Das waren noch einfache Zeiten, im Vergleich zu heute und dem jetzigen Arbeitsmarkt.»
    «Warum sucht Tylenol sich nicht einen Job für das Geld, das er haben will?»
    «Irgendein altmodischer Job ist für ihn zu wenig. Er hat vor, mal ganz groß dazustehen, und in der Zwischenzeit will er, dass ich ein bisschen Kohle auf den Tisch lege. Er verlangt nicht, dass ich auf der Straße arbeite, nur dass ich ab und zu jemandem gefällig bin, gewöhnlich einem Weißen. Wenn wir erst richtig bei Kasse sind und alles läuft, dann wird er mich behandeln wie eine Königin, sagt er.» Seit der Schule hat sie sich eine Augenbraue durchstechen lassen und trägt dort nun einen kleinen Ring – zusätzlich zu der Perle im Nasenflügel und der Reihe von Silberringen, die aussehen, als lebe eine Raupe am oberen Rand ihres Ohrs. «So, Ahmed. Dass du nur dastehst und dir die Augen aus dem Kopf glotzt, das hört jetzt auf. Wie hättst du’s denn gern? – Ich könnte dir einfach einen blasen, so wie wir sind, dann gibt’s weniger Schweinerei, aber ich glaube, deinem Mr. Charlie lag’s am Herzen, dass du richtig was zu bumsen kriegst, und dazu gehört ein Pariser und dass man sich hinterher wäscht. Bezahlt hat er mich für das komplette Angebot, ganz wie’s dir passt. Dass du schüchtern sein könntest, hat er vorausgesehen.»
    Ahmed winselt. «Joryleen, ich ertrag’s nicht, wenn du so redest.»
    «Wie red ich denn, Ahmed? Bist du immer noch mit dem Kopf da oben im arabischen Niemalsland? Ich versuch nur, mich

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