Terrorist
keine Beule, nicht ein Kratzer. Nicht mal ein Strafzettel für zu schnelles Fahren. Exzellent.»
«Danke, Sir. Es war mir ein Vergnügen» – eine Floskel, die er, wie ihm bewusst wird, während des Tages Charlie hat sagen hören.
Mr. Chehab sieht ihn forschend an. «Bleibst du nun bei uns, wo wir bald Labor Day haben?»
«Klar. Was denn sonst? Ich fahre wirklich sehr gern.»
«Ich dachte nur, Jungen wie du – brav, gescheit – sind auf Weiterbildung aus.»
«Das hat man mir auch nahe gelegt, Sir, aber es drängt mich noch nicht dazu.» Mehr Bildung könnte seinen Glauben schwächen, hat er stets befürchtet. Gewisse Zweifel, die er an der High School von sich ferngehalten hat, könnten am College unwiderstehlich werden. Der Gerade Weg führt ihn in eine andere, reinere Richtung; so recht erklären könnte er das nicht. Ahmed fragt sich, wie viel der alte Mann weiß – von dem geschmuggelten Geld, von den vier Männern in dem kleinen Haus an der Küste, vom Antiamerikanismus seines Sohnes, von seines Bruders Verbindungen in Florida. Es wäre seltsam, wenn er von alldem keine Kenntnis hatte; andererseits aber sind Familien, wie Ahmed von seiner zweiköpfigen Familie her weiß, Geheimnisnester, mit Eiern, die einander leicht berühren, die jedoch jedes ein Leben in sich bergen.
Als die beiden Männer auf die Hintertür zugehen, um Hof, wo ihre Autos parken – Habibs Buick, Charlies Saab –, wiederholt Charlie seine Anweisungen an Ahmed: die Alarmanlage in Gang setzen, die Tür mit dem geölten Doppelschloss abschließen. Mr. Chehab fragt: «Der Junge bleibt noch?»
Charlie legt eine Hand auf den Rücken seines Vaters und drängt ihn voran. «Papa, ich hab Ahmed gesagt, er soll oben noch was erledigen. Er schließt schon richtig ab. So vertrauenswürdig ist er doch, oder?»
«Was fragst du? Das ist ein guter Junge. Als gehörte er zur Familie.»
«Die Sache ist die», hört Ahmed noch, als Charlie und sein Vater auf der Laderampe stehen, «der Junge ist verabredet, da möchte er sich vorher frisch machen und saubere Sachen anziehen.»
Verabredet?, denkt Ahmed. Er hat bereits erraten, worin Charlies Überraschung für ihn besteht: Es wird ein Sitzkissen sein, wie er es neulich geliefert hat, mit Geld gefüllt, als Bonus zum Sommerende. Doch wie um aus Charlies Lüge seinem Vater gegenüber Wahrheit zu machen, schrubbt sich Ahmed in der kleinen Toilette neben dem Wasserkühler wirklich den Schmutz des Tages von den Händen und spritzt sich Wasser auf Gesicht und Hals, bevor er zu der Treppe in der Mitte der Ladenfläche geht, die in die obere Etage hinaufführt. Mit leisen Schritten steigt er die Stufen hinauf. In der oberen Etage sind Betten und Kommoden, Beistelltische und Schränke, Spiegel und Lampen ausgestellt. Diese Gegenstände drängen sich im schwachen Schein einer fernen Nachttischlampe, während über die hohen Fenster die Scheinwerfer des abendlichen Stoßverkehrs flackern. Unbeleuchtete Lampenschirme schneiden mit ihren spitzen Winkeln in die Dunkelheit; spinnengleich hängen Deckeninstallationen herab. Es gibt Betten mit gepolsterten Kopfteilen, mit verschnörkelten Kopfteilen aus Holz und mit solchen, die aus parallelen Messingstangen bestehen. Blanke Matratzen, eine neben der anderen zu beiden Seiten des Gangs, sind wie zwei sich perspektivisch verjüngende Ebenen; Sprungfedern, die auf Metall rahmen montiert sind, halten sie stramm. Während Ahmed unter Herzklopfen zwischen den beiden fliehenden Ebenen hindurchgeht, dringt an seine Nase verbotener Zigarettenrauch und an seine Ohren eine vertraute Stimme. «Ahmed! Sie haben mir gar nicht gesagt, dass es um dich geht.»
«Joryleen? Bist du das? Mir haben sie überhaupt nichts gesagt.»
Das schwarze Mädchen tritt hinter dem schwach erleuchteten Lampenschirm hervor, unter dem der Rauch ihrer Zigarette, eilig in einem improvisierten Aschenbecher aus der Silberpapierhülle eines Knabberriegels erstickt, sich in trägen Spiralen wie eine Skulptur erhebt. Als Ahmeds Augen sich an das Schummerlicht gewöhnen, sieht er, dass Joryleen einen roten Vinyl-Minirock und ein enges schwarzes Oberteil trägt, mit tiefem ovalem Ausschnitt wie der eines Balletttrikots. Ihre Rundungen sind wie in eine neue Form gegossen, schmaler in der Taille; auch ihre Kinnpartie ist schmaler. Ihr Haar ist kürzer geschnitten und hat blonde Strähnen, wie es an Central High nie war. Als er hinunterschaut, sieht er, dass sie weiße Stiefel mit Zickzackstickerei trägt,
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