Terrorist
mehr, und genau das wollen die jüdischen Wucherer ja. Ist schon sehr verführerisch, diese ‹Kauf-jetzt-zahl-später›-Falle.» Doch Charlie hat sehr wohl gehört, dass Ahmed ihn necken wollte. «Klar, wir sind Kaufleute. Aber Dads Konzept war: vernünftige Preise. Der Kunde soll nicht mehr kaufen, als er sich leisten kann, das ist schlecht für ihn und letztlich auch für uns. Bis vor ein paar Jahren haben wir nicht mal Kreditkarten akzeptiert. Jetzt tun wir’s. Man muss sich dem System anpassen», sagt er, «bis der Moment da ist.»
«Der Moment?»
«An dem man’s von innen sprengen kann.» Das klingt ungeduldig. Er nimmt anscheinend an, Ahmed wüsste mehr, als er tatsächlich weiß.
«Wann kommt denn so ein Moment?»
Charlie überlegt. «Wenn er herbeigeführt worden ist. Das kann nie sein oder aber schneller, als wir glauben.»
Im schwindelerregenden Raum ihres gemeinsamen Glaubens – dass sie ihn teilen, hat Charlie offenbart, als er von jüdischen Wucherern sprach – hat Ahmed das Gefühl, auf einem Gerüst aus Strohhalmen zu balancieren. Da ihm Charlie nun, so kommt es ihm vor, hohes Vertrauen geschenkt hat, vertraut der Junge dem älteren Mann seinerseits etwas an. «Ich habe einen Gott, dem ich mich fünfmal am Tag zuwende. Mein Herz braucht keinen anderen Gefährten. Mit ihrer Sexbesessenheit offenbaren die Ungläubigen doch nur ihre innere Leere und ihre Angst.»
Charlie reckt sich und sagt: «Hey, mach’s nicht schlecht, bevor du’s nicht probiert hast. Da sind wir – Monroe, Nummer acht-eins-eins. Eine zimtfarbene Essecke. Ein Tisch, vier Stühle.»
Das Haus, ein Kolonialstil-Zitat aus rotem Ziegelstein und weiß gestrichenen Holzteilen, steht auf einer gut gewässerten kleinen Rasenfläche. Die junge Hausherrin, Sinoamerikanerin, kommt ihnen auf dem gepflasterten Weg freundlich entgegen. Während die beiden Männer Stühle und einen ovalen Tisch ins Haus tragen, schauen zwei Kinder – ein Mädchen im Kindergartenalter in einer grell pinkfarbenen mit Applikationen von Eulen verzierte Latzhose und ein kleiner Junge, der eben laufen lernt, in einem verklecksten T-Shirt und hängender Windelhose – zu und tollen umher, als würden ihnen eben weitere Geschwister angeliefert. Vor Glück über die neuen Anschaffungen möchte die junge Mutter Charlie einen Zehn-Dollar-Schein als Trinkgeld in die Hand drücken, doch Charlie winkt ab und erteilt ihr eine Lektion in amerikanischer Gleichheit. «War uns ein Vergnügen», sagt er zu ihr. «Viel Freude mit den Sachen.»
Vierzehn weitere Lieferungen sind an diesem Tag fällig, und als sie aus Camden zurückkommen, streifen den Reagan Boulevard bereits lange Schatten, und die übrigen Geschäfte haben geschlossen. Charlie und Ahmed nähern sich Excellency Wohnbedarf von Westen. Gleich gegenüber, jenseits von Thirteenth Street, liegt eine Reifenhandlung, die einmal eine Tankstelle war; die Service-Insel ist erhalten geblieben, obwohl die Tanksäulen verschwunden sind; und daneben befindet sich ein Bestattungsinstitut, das einst, bevor dieser Teil der Stadt zur Gewerbegegend wurde, ein prächtiges Privathaus war, mit einer tiefen Veranda, weißen Markisen und einem dezenten Firmenschild, UNGER & SOHN, auf dem Rasen davor. Sie stellen den Lkw auf dem Hof ab, trotten müde auf die hallende Ladeplattform hinauf und durch die Hintertür in den Flur, wo Ahmed seine Karte in die Stechuhr schiebt. «Vergiss nicht, dass noch eine Überraschung auf dich wartet», sagt Charlie zu ihm.
Darauf ist Ahmed nicht gefasst; im Lauf des langen Tages hat er die Ankündigung vergessen. Über Spielchen ist er hinausgewachsen.
«Sie wartet oben», sagt Charlie so leise, dass sein Vater, der noch in seinem Büro arbeitet, es nicht hören kann. «Lass dich zur Hintertür hinaus, wenn du fertig bist. Schalt die Alarmanlage ein, wenn du gehst.»
Habib Chehab, kahl wie ein Maulwurf in seiner verstaubten Unterwelt von neuen und gebrauchten Möbeln, tritt aus der Tür seines Büros. Trotz des Sommers in Pompton Lakes, der hinter ihm liegt, sieht er bleich aus, und sein Gesicht ist krankhaft aufgedunsen, aber er fragt Ahmed munter: «Na, wie geht’s dem Jungen?»
«Ich kann nicht klagen, Mr. Chehab.»
Sinnend betrachtet der alte Mann seinen jungen Fahrer; er verspürt das Bedürfnis, noch ein Wort mehr zu sagen, Ahmeds getreue Dienste während des Sommers zu würdigen. «Du bist der beste Junge von allen», sagt er. «Hunderte von Meilen, oft zwei-, dreihundert am Tag, und
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