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Terrorist

Terrorist

Titel: Terrorist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Updike
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sogar hineinzukneifen, da sie ja eine Hure und Schlimmeres gewohnt ist, und dieser grausame Impuls verwundert ihn; etwas in ihm scheint gegen die Zärtlichkeit anzukämpfen, die ihn von seiner innigsten Loyalität fortlocken würde. Und wer sich um Gottes willen abmüht, heißt es in der neunundzwanzigsten Sure über den Kämpfenden, tut das zu seinem eigenen Vorteil.
    Als Ahmed an den winzigen, sich spannenden Muskeln ihres von einem zarten Wulst umrahmten Mundes sieht, dass sie gleich singen wird, schließt er die Augen.
    «‹Welch einen Freund wir doch in Jesus haben›», schmachtet sie, bebend und ohne die hüpfenden Synkopen der Fassung, die er in der Kirche gehört hat, «‹all unsere Sünden und unsern Gram nimmt er auf sich …›» Singend streckt sie die Hand aus, und eine helle Handfläche berührt seine Stirn, diese aufrechte, kantige Stirn, entschlossen, sich tiefer unter das Joch des Glaubens zu beugen, als die meisten Männer es vermögen; und Joryleens Finger mit den zweifarbigen Nägeln streunen umher und kneifen ihn ins Ohrläppchen, als sie mit «-Welch eine Gnade, in Gebeten Gott alles darzubringen›» schließt.
    Er sieht zu, wie sie energisch wieder ihre Sachen anzieht: zuerst den Büstenhalter, dann, mit einem komischen Hüftschlenker, das Gespinst von einem Höschen; darauf das elastische Hemdchen, kurz genug, um ein Stück Bauch frei zu lassen, und den roten Minirock. Sie setzt sich auf den Bettrand, um ihre Stiefel mit den langen Spitzen anzuziehen – über dünne weiße Söckchen, die er sie nicht hat abstreifen sehen. Damit das Leder vor ihrem Schweiß und ihre Füße vor Geruch geschützt sind.
    Wie viel Uhr ist es? Jeden Tag wird es nun früher dunkel. Nicht viel später als sieben; er hat nicht einmal eine Stunde mit ihr verbracht. Vielleicht ist seine Mutter zu Hause und wartet darauf, ihm etwas zu essen zu richten; seit kurzem hat sie mehr Zeit für ihn. Die Wirklichkeit ruft: Er muss aufstehen, jede Spur ihrer liegenden Gestalten von der plastikumhüllten Matratze streichen, den ‘Teppich und die Kissen wieder hinunter an ihre Plätze bringen; er muss Joryleen zwischen Tischen und Sesseln hindurchführen, an den Bürotischen, dem Wasserkühler und der Stechuhr vorüber, und sie beide durch die Hintertür hinauslassen in den Abend mit seinem Geflirr von Lichtern, die nun nicht mehr die Scheinwerfer von Leuten sind, welche von der Arbeit heimkehren, eher von solchen, die sich auf Jagd befinden, nach Essen oder Liebe. Als Ahmed über das Dutzend Querstraßen hinweg nach Hause geht, fühlt er sich von Joryleens Singen und seiner Ejakulation so müde, dass die Vorstellung, er könnte zu Bett gehen und nie mehr aufwachen, keinen Schrecken für ihn besitzt.
     
    Scheich Rashid begrüßt ihn in der Sprache des Korans: «Fainnama’a l-’usri yusr ā .» Ahmed, dessen klassisches Arabisch nach drei Monaten ohne Unterricht an der Moschee eingerostet ist, entziffert im Geist das Zitat und klopft es nach verborgenen Bedeutungen ab, die es enthalten könnte. Wenn man es einmal schwer hat, stellt sich gleich auch Erleichterung ein. Er erkennt, dass es aus «Das Weiten» stammt, einer der frühen Suren der Mekka-Zeit, die ihrer Kürze wegen weit hinten im Buch erscheinen, die ihres verdichteten, enigmatischen Charakters wegen jedoch seinem Meister teuer sind. Mit der Stimme Gottes spricht sie den Propheten persönlich an: Haben wir dir nicht deine Brust geweitet, dir deine Last abgenommen, die dir schwer auf dem Rücken lag, und dir dein Ansehen erhöht?
    Seine Begegnung mit Joryleen war für den Freitag vor Labor Day arrangiert gewesen, und daher fragte ihn Charlie Chehab erst am folgenden Dienstag bei der Arbeit: «Und, wie ist’s gelaufen?»
    «Ganz gut», lautete Ahmeds flaue Antwort. «Hat sich herausgestellt, dass ich sie von Central High her schon flüchtig kannte. Leider hat jemand sie seither auf üble Abwege gebracht.»
    «Hat sie ihren Job erledigt?»
    «Sicher. Hat sie.»
    «Gut. Sehr gut. Ihr Lude hat mir versichert, sie könnte das nett machen. Was für eine Erleichterung. Für mich, meine ich. Es kam mir einfach unnatürlich vor, dass du noch deinen Korken hattest. Keine Ahnung, warum mir das so nah gegangen ist, aber so war’s nun mal. Und, wie fühlst du dich nun? Wie neu?»
    «Aber ja. Ich sehe das Leben durch einen neuen Schleier – durch eine neue Brille, besser gesagt.»
    «Prima. Ganz prima. Solange einer noch keine Frau hatte, hat er noch nicht richtig gelebt. Ich

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