Terrorist
dabei zurück und schließt die Augen wie gegen ein zu grelles Licht. «Sei aufrichtig, bitte.»
Ahmeds wackliges Gefühl, über einer Spanne bodenlosen Raums nur von einem Gerüst aus dünnen, schwachen Streben gehalten zu werden, ist wieder da. Nach einem Leben, in dem er kaum irgendwo hingehört hat, ist er am ungewissen Rand einer strahlenden zentralen Bedeutung angelangt. «Ich glaube, ja», erklärt der Junge seinem Lehrer. «Aber ich bin nicht zum Kampf ausgebildet.»
«Über alle erforderlichen Fertigkeiten verfügst du, dafür ist gesorgt worden. Die Aufgabe würde darin bestehen, einen Lastwagen an ein bestimmtes Ziel zu fahren und eine bestimmte einfache, mechanische Verbindung herzustellen. Wie genau, das würde dir von den Spezialisten erklärt, die sich um derlei Dinge kümmern.» Beiläufig, mit einem vagen, amüsierten Lächeln, merkt der Imam an: «Bei unserem Gotteskrieg stehen uns technische Experten zur Seite, die denen des Feindes gleichrangig und an Willenskraft und Elan unendlich überlegen sind. Du erinnerst dich doch an die vierundzwanzigste Sure, al-n ū r, ‹Das Licht›?» Seine Lider senken sich, und die feinen violetten Adern darauf werden sichtbar, als der Imam in seinem Gedächtnis nach der Stelle forscht; und er rezitiert: «Wa ‘l-ladh ī na kafar ū a’m ā luhum ka-sar ā bi biq ī ’atin yahsabuhu ‘z – zam’ ā nu m ā ’an hatt ā idh ā j ā ’ ahu lam yajidhu shay ‘an wa wajada ‘ll ā ha ‘indahu fa-waff ā hu his ā bahu, wa ‘ll ā hu sar ī ’u ’l-his ā b.» Als der Scheich die Augen wieder aufschlägt und aus Ahmeds Gesicht schuldbewusstes Unverständnis liest, kommt sein dünnes, schiefes Lächeln hervor, und er übersetzt: «‹Die Handlungen der Ungläubigen sind dagegen wie eine Luftspiegelung in einer Ebene. Wenn einer unter Durst leidet, hält er es für Wasser. Wenn er aber schließlich hinkommt, findet er, dass es überhaupt nichts ist. Und er findet Gott vor. Und der rechnet ihm alles voll an.›
Ein herrliches Bild, fand ich schon immer – der Reisende hält es für Wasser, findet an der Stelle jedoch nur Allah. Das macht ihn sprachlos. Der Feind hat nur die Fata Morgana der Selbstsucht vieler kleiner Einzelwesen und Interessen, für die er kämpfen kann; unsere Seite dagegen ist in geläuterter Selbstlosigkeit vereint. Wir unterwerfen uns Gott und werden eins mit ihm – und miteinander.»
Wieder schließt der Imam wie in heiliger Trance die Augen, und das Pulsieren der Kapillargefäße lässt seine Lider zittern. Gleichwohl entfließen seinem Mund zusammenhängende Worte. «Du würdest auf der Stelle ins Paradies eingehen», legt er Ahmed dar. «Deine Familie – deine Mutter – würde eine Entschädigung, i’ ā la, für ihren Verlust erhalten, obwohl sie eine Ungläubige ist. Die Schönheit des Opfers ihres Sohnes könnte sie sogar zur Konversion bewegen. Bei Allah ist alles möglich.»
«Meine Mutter – sie hat immer selbst für sich gesorgt. Könnte ich für die Entschädigung auch eine andere Person als Empfängerin benennen, eine Freundin in meinem Alter? Das könnte ihr zu Freiheit verhelfen.»
«Was ist schon Freiheit?», fragt Scheich Rashid; er schlägt die Augen auf und durchdringt den Schleier seiner Trance. «Solange wir uns in unserem Leib befinden, sind wir Sklaven dieses Leibes und seiner Bedürfnisse. Wie ich dich doch beneide, mein lieber Junge. Ich bin alt im Vergleich zu dir, und der größte Kampfesruhm steht den Jungen zu. Das eigene Leben zu opfern», fährt er mit halb gesenkten Lidern fort, sodass nur noch ein feuchtes graues Schimmern zu sehen ist, «bevor es etwas Zerfleddertes und Ausgelaugtes wird – welch eine unermessliche Freude das doch wäre.»
Schweigend lässt Ahmed diesen Worten Zeit, sich zu senken; dann fragt er: «Wann wird mein istischh ā d stattfinden?» Sein Selbstopfer: Es wird zu einem Teil von ihm, zu einem lebendigen, hilflosen Ding wie sein Herz, sein Magen, wie seine Bauchspeicheldrüse, die öde weiter ihre Botenstoffe und Enzyme produziert.
«Dein heldenhaftes Opfer», ergänzt sein Meister sogleich. «Binnen einer Woche, würde ich sagen. Die Details zu benennen, obliegt mir zwar nicht, aber ein Zeitpunkt innerhalb der nächsten Woche läge in der Nähe eines Jahrestags und würde dem globalen Satan eine wirkungsvolle Lehre erteilen. Die Botschaft würde lauten: ‹Wir schlagen zu, wann es uns passt.›»
«Zu dem Laster. Würde es sich um den handeln, den ich für Excellency
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