Terrorist
hatte meine erste mit sechzehn. Das heißt, eigentlich waren’s zwei – eine Professionelle, mit Gummi, und ein Mädchen aus der Nachbarschaft, ungesattelt. Aber das war auch zu Zeiten, in denen es noch wilder zuging, vor Aids. Deine Generation hat allen Grund, vorsichtig zu sein.»
«Wir waren vorsichtig.» Ahmed war errötet, weil er Charlie verschwieg, dass er noch immer unberührt war, aber er hatte seinen Mentor auf keinen Fall enttäuschen wollen, indem er ihm die Wahrheit anvertraute. Vielleicht hatte es zwischen ihnen in der Enge der Fahrerkabine, während Excellency auf surrenden Rädern durch New Jersey kreuzte, ohnehin schon zu viel Vertrautheit gegeben. Joryleens Rat, er solle sich von dem Laster wegmachen, ging Ahmed nach.
Den ganzen Morgen über wirkte Charlie so, als warte er besorgt auf etwas, als mache ihn eine Vielzahl gleichzeitig zu erledigender Dinge nervös. In dem Büro hinter dem Ausstellungsraum, wo der Morgenkaffee getrunken und der Plan für den Tag entworfen wurde, schien sein Gesicht ungewöhnlich leicht zu knittern, sein beweglicher Mund besonders rasch den Ausdruck zu wechseln. Hier warteten ungewaschene olivenfarbene Overalls und gelbe Oljacken für Lieferungen an regnerischen Tagen; wie abgezogene Häute hingen sie an ihren Haken.
«Über das lange Wochenende bin ich Scheich Rashid begegnet», bemerkte Charlie.
«Ach ja?» Natürlich, ging es Ahmed durch den Kopf; die Chehabs sind wichtige Mitglieder der Moschee-Gemeinde; so eine Begegnung hat nichts Besonderes.
«Er möchte dich gern drüben im Islamischen Zentrum sprechen.»
«Um mich zurechtzuweisen, befürchte ich. Jetzt, wo ich arbeite, vernachlässige ich den Koran, und freitags komme ich nicht mehr so regelmäßig in die Moschee. Immerhin wird dir aufgefallen sein, dass ich meine Gebete immer verrichte, wenn ich mich nur für fünf Minuten an einem reinen Ort aufhalten kann.»
Charlie runzelte die Stirn. «Du kannst nicht immer nur an dich und Gott denken, Medizinmann. Er hat seinen Propheten gesandt, und der Prophet hat eine Gemeinschaft geschaffen. Ohne ummah, ohne die bewusste und tätige Zugehörigkeit zu einer Gruppe von Rechtschaffenen, ist der Glaube ein Samen, der keine Früchte bringt.»
«Sollst du mir das von Scheich Rashid ausrichten?» Was Charlie da von sich gab, klang mehr nach Scheich Rashid als nach ihm selbst.
Charlie feixte – er bleckte so plötzlich und gewinnend die Zähne wie ein Kind, das bei einem Streich ertappt worden ist. «Scheich Rashid kann für sich selbst sprechen. Aber er ruft dich nicht zu sich, um dich zurechtzuweisen, ganz im Gegenteil. Er will dir eine Chance anbieten – aber hältst du wohl dein vorlautes Mundwerk, Charlie, was redest du! Er soll es dir selbst verraten. Wir hören heute früher mit den Lieferungen auf, und ich setze dich an der Moschee ab.»
Und so ist Ahmed seinem Meister, dem Imam aus dem Jemen, ausgeliefert worden. Im Maniküresalon unter der Moschee sitzt, trotz reichlich bereitstehender Stühle, nur eine gelangweilte vietnamesische Nagelpflegerin, die eine Zeitschrift liest, und durch einen Spalt zwischen den Jatousielamellen des Fensters von BARGELD GEGEN SCHECKS ist ein hoher, mit einem Gitter geschützter Tresen zu erspähen, hinter dem ein untersetzter Weißer gähnt. Ahmed öffnet die Tür zwischen diesen beiden Unternehmen, die schorfige grüne Tür mit der Nummer 2781V£, und steigt die schmale Treppe zu dem Foyer hinauf, in dem die Kunden des verblichenen Tanzstudios einst auf ihre Stunden warteten. Am Anschlagbrett vor dem Büro des Imam hängen noch die gleichen Computerausdrucke, die über Arabisch-Unterricht, Eheberatung (Wie ist in der modernen Zeit eine gesegnete, korrekte und geziemende Ehe zu gestalten?) und über Gastvorträge dieses oder jenes Mullahs zur Geschichte des Nahen Ostens informieren. Scheich Rashid in seinem mit Silberfäden bestickten Kaftan kommt seinem Schüler entgegen und ergreift dessen Hand mit ungewöhnlicher Inbrunst und Feierlichkeit; der vergangene Sommer scheint ihn nicht verändert zu haben, allenfalls weist sein Bart ein paar graue Haare mehr auf, passend zu seinen taubengrauen Augen.
Seinem anfänglichen Gruß, über dessen Bedeutung Ahmed noch rätselt, schickt Scheich Rashid die Worte nach: «Wa la ‘l-ākhiratu khayrun laka mina ‘1-ūlā wa la-sawfa yu’tlka rabbuka fa-tardā.» Dunkel erinnert sich Ahmed, dass dieser Vers auch aus einer der kurzen Suren der Mekka-Zeit stammt, die sein Meister so
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