Terrorist
liebt, vielleicht aus derjenigen, die «Der Morgen» genannt wird und die besagt, dass die Zukunft, das kommende Leben, reicheren Lohn bereithält als das vergangene. Dein Herr wird dir dereinst so reichlich geben, dass du zufrieden sein wirst. Dann sagt Scheich Rashid auf Englisch: «Mein lieber Junge, ich habe die Stunden sehr vermisst, in denen wir gemeinsam die Schrift studiert und über große Dinge gesprochen haben. Auch ich habe dabei gelernt. Die Schlichtheit und Kraft deines Glaubens hat den meinigen vertieft und gefestigt. Es gibt zu wenige von deiner Art.»
Er führt den jungen Mann in sein Büro und lässt sich in dem hohen Ohrensessel, seinem Lehrstuhl, nieder. Als sie beide ihre gewohnten Plätze an dem Schreibtisch eingenommen haben, auf dem sich außer einem altgedienten Exemplar des Korans mit grünem Einband nichts befindet, wendet er sich an Ahmed. «Nun, du bist also in der Welt der Ungläubigen weiter herumgekommen, in der ‹toten Welt›, wie unsere Freunde, die Black Muslims, sie nennen. Hat dies etwas an deinen Überzeugungen verändert?»
«Soweit mir bewusst ist, nein, Sir. Ich fühle Gott noch immer bei mir, so nah wie meine Halsschlagader und mir so zugetan, wie nur er es vermag.»
«Bist du in den Städten, die du besucht hast, nicht Zeuge von Armut und Elend geworden, die dich bewogen haben, sein Gnade infrage zu stellen? Hast du nicht eine ungleiche Verteilung von Wohlstand und Macht wahrgenommen, die in dir Zweifel an Gottes Gerechtigkeit hat aufkommen lassen? Hast du nicht entdeckt, dass die Welt, jedenfalls der amerikanische Teil der Welt, einen Gestank nach Vergeudung und Gier, nach Sinnlichkeit und Nichtigkeit verströmt, nach jener Verzweiflung und Lethargie, die mit Unkenntnis der erleuchteten Weisheit des Propheten einhergehen?»
Die dürre, verschnörkelte Rhetorik dieses Imam – vorgetragen wie mit gespaltener Zunge, die, was sie darlegt, zugleich zurückzunehmen scheint – weckt in Ahmed ein wohlvertrautes Unbehagen, Er versucht, ehrlich zu antworten, ein wenig auf Charlies Art: «Na ja, ich schätze mal, die Gegend hier ist nicht gerade die stärkste auf dem Planeten, und genug Loser hängen auch herum, aber eigentlich hat’s mir Spaß gebracht, mich da draußen rumzutreiben. Die Leute sind ziemlich nett, meistens jedenfalls. Natürlich haben wir ihnen gewöhnlich etwas geliefert, was sie haben wollten und von dem sie meinten, ihr Leben würde dadurch besser. Mit Charlie unterwegs zu sein, war richtig gut. Er weiß unheimlich viel über die Geschichte von New Jersey.»
Scheich Rashid beugt sich vor, stellt die Füße auf den Boden und presst die Fingerkuppen seiner edlen, zierlichen Hände aneinander, möglicherweise, um gegen ihr Beben anzukämpfen. Ahmed fragt sich, warum sein Lehrer nervös ist. Vielleicht ist er eifersüchtig wegen des Einflusses, den ein anderer Mann auf seinen Schüler hat. «Ja», sagt Scheich Rashid, «Charlie ist ‹richtig gut›, aber auch erfüllt von hohen Zielen. Er hat mich davon unterrichtet, dass du die Bereitschaft geäußert hast, für den Dschihad zu sterben.»
«Habe ich das?»
«In einer Unterredung im Liberty State Park, in Sichtweite der Spitze von Manhattan, wo die Doppeltürme der kapitalistischen Tyrannei glorreich zum Einsturz gebracht wurden.»
«Das war eine Unterredung?» Wie sonderbar, denkt Ahmed, dass über ein Gespräch, das im Freien stattgefunden hat, hier Bericht erstattet worden ist, hier in der Stadt, im geschlossenen Raum dieser Moschee, durch deren Fenster man nur Backsteinmauern und dunkle Wolken sieht. Der Himmel ist heute nah und grau in fiedrigen Schichten, die Regen bedeuten mögen. Bei der Unterredung damals war es blendend hell gewesen; Rudel von Kindern in Ferienstimmung waren umhergetollt, und ihr Geschrei hatte zwischen der glitzernden Upper Bay und der gleißend weißen Kuppel des Science Center hin- und hergehallt. Luftballons, Möwen, Sonne. «Ich bin bereit zu sterben», bestätigt Ahmed, nachdem er eine Weile geschwiegen hat, «wenn es Gottes Wille ist.»
«Es besteht die Chance», hebt sein Meister vorsichtig an, «den Feinden des Allmächtigen einen schweren Schlag zu versetzen.»
«Ein Anschlag?», fragt Ahmed.
«Eine Chance», wiederholt Seheich Rashid betont. «Es bedürfte dazu eines schahid, dessen Liebe zu Gott bedingungslos ist und den es dringlich nach der Glorie des Paradieses dürstet. Bist du ein solcher Mann, Ahmed?» Fast träge stellt der Meister diese Frage, lehnt sich
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