Terrorist
Motten sein werden, die verstreut am Boden liegen, und die Berge wie zerzauste Wolle.
Um sieben Uhr fünfzehn schließt er die Tür hinter sich. Den Koran sowie die Reinigungsanweisungen lässt er im Schutzraum für einen anderen shahid zurück, nimmt aber seinen Sportsack mit, in dem seine schmutzige Wäsche steckt, Unterhose, Socken und weißes Hemd. Er geht durch einen dunklen Flur und tritt auf eine leere Seitenstraße hinaus, die noch feucht ist von einem Regenschauer, der irgendwann in der Nacht niedergegangen sein muss. Ahmed orientiert sich am Rathausturm und geht nordwärts, in Richtung Reagan Boulevard und Excellency Wohnbedarf. Seinen Sportsack lässt er in die erste Mülltonne fallen, die er an einer Straßenecke sieht.
Der Himmel ist nicht kristallklar, sondern feucht und grau, ein pelziger, niedriger Himmel, aus dem flaumige Dunstadern abwärts ziehen. Die vergangene Nacht hat einen Schimmer auf den Asphaltstraßen hinterlassen, auf ihren Kanaldeckeln, ihren glänzenden Teerschnörkeln und Teerflecken. Feuchtigkeit schlägt sich auf dem noch grünen Laub der Büsche nieder, die hier und dort neben Haustreppen und Veranden wachsen, und auf den Hausverkleidungen aus sich überlappenden Aluminiumplanken mit eingebrannter Farbe. In den meisten der dicht an dicht stehenden Häuser, an denen Ahmed vorübergeht, regt sich noch wenig, wenn auch aus den schwach erleuchteten Fenstern nach hinten hinaus, wo die Küchen liegen, Geräusche von Tellern und Töpfen kommen und die Erkennungsmelodien von Today und Good Morning America darauf hindeuten, dass gefrühstückt wird und ein Montag wie viele andere in Amerika beginnt.
In einem Haus verbellt ein unsichtbarer Hund, als Ahmed auf dem Trottoir vorübergeht, seine Geisterschritte. Eine ingwerfarbene Katze mit einem blinden Auge, das einer krakelierten weißen Murmel gleicht, schmiegt sich eng an eine Verandatür aus Drahtgeflecht und möchte eingelassen werden; sie macht einen Buckel und lässt das eine gute, halb geschlossene Auge golden auffunkeln; etwas ist ihr unheimlich an dem hochgewachsenen, jungen Fremden, der da vorübergeht. Die diesige Luft prickelt auf Ahmeds Gesicht, aber es nieselt nicht so deutlich, dass sein Hemd durchweicht würde. Die gestärkte Baumwolle fühlt sich um die Schultern rösch an; seine schwarzen Röhrenjeans umhüllen die langen Beine, die durch den wattigen Raum unterhalb seines Gürtels schweben. Seine Laufschuhe saugen die Distanz zwischen ihm und seinem Schicksal auf; wo der Gehweg glatt ist, hinterlässt das raffinierte Profil ihrer Sohlen feuchte Abdrücke. Die Polternde! Was soll das heißen? Wie kannst du wissen, was das heißen soll?, fällt ihm wieder ein, und dann die Antwort: Loderndes Feuer. Die Distanz bis zu Excellency beträgt noch gut einen halben Kilometer, sechs Blocks mit Miethäusern und kleinen Gewerbebetrieben – ein Dunkln ’ Donuts hat geöffnet, an einem Lebensmittelladen an einer Ecke ist das Gitter hochgezogen, ein Pfandleihhaus und eine Versicherungsagentur haben jedoch noch geschlossen. Auf dem Reagan Boulevard tost der Verkehr bereits, die Schulbusse haben ihre Bummelfahrten aufgenommen, und in raschem Wechsel leuchten ihre aggressiven roten Blinker auf, während sie im Zickzack an den Bordstein fahren und wieder ausscheren, um die Grüppchen von wartenden Kindern mit ihren grellbunten Rucksäcken zu schlucken. Für Ahmed wird es keine Rückkehr zur Schule geben. Central High kommt ihm nun, bei all dem bedrohlichen Radau und gottlosen Gespött dort, wie ein Spielzeugschloss vor, wie ein Hort kindlicher Geborgenheit und aufgeschobener Entscheidungen.
Er wartet, bis die Ampel ihren gehenden Mann zeigt, bevor er den Boulevard überquert. Dessen ölfleckiger Beton ist ihm eher vertraut als Halt gebender Untergrund für die Reifen seines Lastwagens, nicht so sehr diese stumme, rätselhaft gesprenkelte Ebene unter seinen Füßen. Er biegt nach links ab und nähert sich von Osten, an dem Beerdigungsinstitut mit seiner breiten Veranda und seinen weißen Markisen – UNGER & SON , ein merkwürdig salbungsvoller, hungriger Name –, dann an der Reifenhandlung vorbei, die einmal eine Tankstelle war; die Tanksäulen sind gerodet, die Serviceinsel ist noch da. Am Bordstein der Thirteenth Street bleibt Ahmed stehen und blickt zum Hof von Excellency hinüber. Der orangefarbene Laster steht nicht da. Charlies Saab steht nicht da. Zwei unbekannte Wagen, der eine grau, der andere schwarz, stehen da, achtlos und
Weitere Kostenlose Bücher