Terrorist
töricht, ein Vorgeschmack der Hölle.»
«Auweia, wie fromm wollen wir denn noch werden! Hast du denn keine Freunde? Haben Jungen deines Alters nicht im Allgemeinen Freundinnen?»
«Moni, ich bin nicht schwul, falls du das meinst.»
«Und woher weißt du das?»
Das schockierte ihn. «Ich weiß es eben.»
«Nun, ich weiß nur eins», sagte sie und harkte sich mit den angewinkelten Fingern der linken Hand das Haar aus der Stirn, eine rasche Geste, die bedeutete, dass sie einsah, wie verheddert dieses Gespräch war, und dass sie es kappen wollte, «und zwar, dass ich nie weiß, wann du hier mal wieder auftauchen wirst.»
In ähnlich gereiztem Ton antwortet nun Scheich Rashid: «Sie wollen gar nicht, dass du außerhalb des Staates fährst. Sie wollen dich keine gefährlichen Ladungen transportieren lassen – sondern Möbel. Die Chehabs sind die Besitzer der Firma Excellency, Wohnbedarf, am Reagan Boulevard, die dir schon aufgefallen sein muss. Jedenfalls habe ich die Familie Chehab sicher schon einmal erwähnt.»
«Die Chehabs?» Manchmal befürchtet Ahmed, dass er, in sein Gefühl versunken, Gott sei ihm ganz nahe – so nah, dass sie eine einzigartige heilige Einheit bilden, näher als die Halsschlagader, wie es der Koran ausdrückt-, weniger irdische Details wahrnimmt als andere, nichtreligiöse Menschen.
«Habib und Maurice Chehab», stellt der Imam klar, mit einer Ungeduld, die seine Worte so präzise abhackt, wie sein Bart gestutzt ist. «Sie sind Libanesen, jedoch weder Maroniten noch Drusen. Sie sind als junge Männer in dieses Land gekommen, in den sechziger Jahren, als es so aussah, als würde der Libanon zum Trabanten des zionistischen Gebildes werden. Sie haben ein gewisses Kapital mitgebracht und es in Execellcncy gesteckt. Preiswerte Möbel, neu und gebraucht, für die Schwarzen – das war die grundlegende Geschäftsidee, und sie hat sich als erfolgreich erwiesen. Habibs Sohn, Charlie für seine Freunde, war bisher im Verkauf tätig und hat sich um die Lieferungen gekümmert, aber nun möchten sie, dass er eine gewichtigere Rolle in der Geschäftsleitung übernimmt, denn Maurice hat sich bis auf ein paar Sommermonate nach Florida zurückgezogen, und Habib ist durch seinen Diabetes zunehmend in seiner Leistungsfähigkeit beeinträchtigt. Charlie wird dir – wie sagt man gleich? – zeigen, wo’s langgeht. Du wirst ihn mögen, Ahmed. Er ist sehr amerikanisiert.»
Die grauen, femininen Augen des Jemeniten verengen sich; er ist belustigt. Für ihn ist Ahmed ein Amerikaner. Er kann noch so viel Eifer an den Tag legen, noch so fleißig den Koran studieren, an der Herkunft seiner Mutter und der Abwesenheit seines Vaters ändert es nichts. Das Fehlen von Vätern, die bedauerliche Tatsache, dass die Vaterschaft Männer nicht mehr loyal an ihren Hausstand zu binden vermag, ist eines der Merkmale dieser dekadenten, wurzellosen Gesellschaft. Scheich Rashid – schmal wie ein Dolch, ein schmächtiger Mann, der eine gefährliche Schläue ausstrahlt und gelegentlich imstande ist anzudeuten, möglicherweise habe der Koran nicht schon seit Ewigkeiten im Paradies existiert, wohin sich der Prophet bei seinem nächtlichen Ritt auf dem übernatürlichen Pferd Buraq begeben hat – bietet sich nicht selbst als Vatergestalt an; die Beachtung, die er Ahmed gewährt, hat einen Anflug von Bruderzwist, von Hohn; es steckt ein Splitter von Feindseligkeit darin.
Doch er behält Recht, Ahmed mag Charlie Chehab wirklich. Er ist ein gedrungener Mittdreißiger, gut eins achtzig groß, mit tiefen Knitterfalten in seinem dunklen Gesicht und einem breiten, geschmeidigen Mund, der viel in Bewegung ist. «Ahmed», sagt er, wobei er beide Silben gleich stark betont und den zweiten Vokal dehnt wie in «Armee» oder in «Asket». «Na, wen verarztest du denn so, Medizinmann?» Darauf erwartet er keine Antwort, sondern fährt fort: «Willkommen bei Excellency, wie wir nun mal heißen. Mein Dad und mein Onkel konnten noch nicht richtig Englisch, als sie die Firma so genannt haben; sie glaubten, das hieße so viel wie etwas Exzellentes.» Während er spricht, ziehen komplizierte innere Regungen über sein Gesicht, Verachtung, Selbstironie, Misstrauen und – nun zieht er die Brauen hoch – gutmütiger Spaß daran, dass er und sein Gegenüber irgendwie in einer vertrackten Lage stecken.
«Wir konnten sehr wohl Englisch», protestiert sein Vater, der neben ihm steht. «Wir haben’s in Beirut an der amerikanischen Schule gelernt.
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