Terrorist
‹Excellency› bedeutet, dass etwas hervorragend ist. Wie ‹new› in New Prospect. Das heißt ja nicht, dass hier jetzt Aussicht auf Neues besteht – damals war’s so. Wenn wir die Firma ‹Möbel Chehab› nennen, fragen die Leute doch bloß, ‹Was heißt denn das, Chehab?›» Er spricht das «Ch» leicht gehaucht aus, ein Laut, den Ahmed mit seinen Koranstunden in Verbindung bringt.
Charlie ist gut einen Kopf größer als sein Vater, und so kann er mühelos den Arm um den Kopf des älteren, blasseren Mannes legen und ihn liebevoll an sich drücken, was sich wie ein argloser Ringergriff ausnimmt. So umschlungen, sieht der Kopf von Mr. Chehab senior wie ein riesiges Ei aus, auf dem Scheitel haarlos und insgesamt dünnhäutiger als der seines gummigesichtigen Sohnes. Das Gesicht des Vaters wirkt ein wenig durchsichtig und gedunsen, möglicherweise aufgrund der Zuckerkrankheit, von der Scheich Rashid gesprochen hat. Doch obwohl Mr. Ghehab von einer glasigen Fahlheit ist, verhält er sich nicht wie ein kränklicher Mann; er muss älter sein als etwa Mr. Levy, wirkt aber jünger, füllig, nervig und aufgeschlossen für Humor, sogar für den seines Sohnes. Beschwörend wendet er sieh an Ahmed: «Amerika! Wie man das Land hier hassen kann, verstehe ich nicht. Ich bin als junger Mann hierher gekommen, nur mit meinem Bruder – ich war zwar schon verheiratet, aber meine Frau musste ich zurücklassen –, und es gab keine Spur von all dem Hass und den Schießereien wie in meinem Land, wo alle zu irgendwelchen Stämmen gehören. Christen, Juden, Araber, gleichgültig, schwarz, weiß, irgendwas dazwischen – hier kommen alle miteinander aus. Hast du was Gutes zu verkaufen, dann kaufen’s die Leute. Hast du Arbeit zu vergeben, dann finden sich auch Leute dafür. Alles ist klar und deutlich, zumindest an der Oberfläche. Macht das Geschäft einfach. Keinerlei Probleme, von Anfang an. In der Alten Welt haben wir unsere Preise immer hoch angesetzt und uns dann runterhandeln lassen, aber hier versteht das keiner. Sogar arme zanj – wenn die ein Sofa oder einen Sessel kaufen wollen, bezahlen sie, was auf dem Preisschild steht, genau wie im Supermarkt. Bloß, es kommen nicht viele. Wir verstehen, setzen die Preise, die wir uns erwarten, auf die Möbel – niedrigere Preise –, und mehr Leute kommen. Da sag ich zu Maurice: ‹Wir sind hier in einem ehrlichen, freundlichen Land. Hier werden wir keine Probleme haben.›»
Charlie hat seinen Vater mittlerweile freigegeben; er schaut dem neuen Angestellten auf gleicher Höhe in die Augen, denn Ahmed ist ungefähr so groß wie er, wenn auch fünfzehn Kilo leichter, und zwinkert ihm zu. «Papa», sagt er gedehnt, «es gibt sehr wohl Probleme. Die zanj hatten keinerlei Rechte, die mussten sie sich erst erkämpfen. Sie wurden gelyncht und nicht in Restaurants gelassen, sogar eigene Trinkwasserhähne gab’s für sie, sie mussten bis zum Obersten Gericht gehen, um als Menschen anerkannt zu werden. Nichts ist gratis in Amerika, um alles muss gekämpft werden. Es gibt keine umma, keine sharia. Lass es dir von dem jungen Mann hier sagen, er hat gerade die High School hinter sich. Um alles wird Krieg geführt, hab ich nicht Recht? Schau dir doch Amerika im Ausland an – Krieg. In Palästina haben sie ein Land für Juden reingequetscht, damit haben sie den Nahen Osten an der Gurgel, und jetzt dringen sie mit Gewalt in den Irak vor, um ein kleines Amerika daraus zu machen und um an das Öl zu kommen.»
«Glaub ihm bloß nicht», sagt Habib Chehab zu Ahmed. «Er redet solches Propagandazeug, aber er weiß, dass er’s hier gut hat. Er ist ein guter Junge. Siehst du? Da lächelt er.»
Und Charlie lächelt nicht nur, er wirft den Kopf zurück, sodass der Hufeisenbogen seiner oberen Zähne und der körnige, an einen dicken Wurm erinnernde Muskel seiner Zunge sichtbar werden, und er lacht. Sein geschmeidiger Mund kräuselt sich zu einer nachdenklichen Schnute; seine wachsamen Augen unter den dichten Brauen sind forschend auf Ahmed gerichtet.
«Und wie siehst du das alles, Medizinmann? Der Imam sagt, du bist sehr fromm.»
«Ich bemühe mich, den rechten Weg zu gehen», gibt Ahmed zu. «Das ist nicht leicht in diesem Land. Es gibt zu viele Wege, es wird zu viel Unnützes verkauft. Sie geben mit ihrer Freiheit an, aber Freiheit ohne Ziel wird zu einer Art von Gefängnis.»
Der Vater unterbricht ihn laut. «Du hast noch nie ein Gefängnis erlebt. In diesem Land hier fürchten sich die
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