Tesarenland (German Edition)
Ich stehe auf und sehe nach. Da ist tatsächlich eine Einstichstelle, drum herum hat sich ein blauer Fleck gebildet. Warum habe ich davon nichts bemerkt?
»Mir haben sie nichts gegeben .«
»Ich vermute, sie wollten mich ausschalten, damit ich keinen Ärger mache. Immerhin habe ich dir gerade eine Waffe an den Kopf gehalten, als sie kamen .« Er stöhnt noch mal und lässt sich wieder auf das Bett sinken. »Sagtest du gerade Tesarenlabor?«
»Ja. Da draußen sieht es aus wie im Funktionshaus .«
Luca fängt an zu lachen. »Ich denke nicht, dass das Tesare sind. Die Tesare hätten bestimmt keine Angst vor diesem Virus.«
»Aber, wenn das Menschen sind …«, quieke ich panisch.
»Dann sollten wir uns Sorgen machen«, beendet Luca meinen Satz.
Ich schiebe mich zwischen seine Beine und schlinge meine Arme um seine Taille. Eigentlich bin ich ganz froh, dass ich ihn noch immer im Arm halten kann. Nur Sekunden später, und Luca hätte die Waffe benutzt, das Feuer hätte uns verschlungen und nichts mehr von uns wäre übrig geblieben. Aber das heißt auch, dass wir nur noch wenig Zeit haben, während der wir einander genießen können. Schon bald werden die Schmerzen kommen, das Erbrechen, das Sterben.
Und mit uns w erden alle anderen Menschen sterben, die hier sind. Wenn Luca recht hat.
Plötzlich versteift sich Luca, schiebt mich von sich und stellt sich neben das Bett. Etwas knackt, es klingt fast wie ein Funkgerät.
»Wie ich sehe, bist du wach«, sagt eine Männerstimme.
Ich drehe mich verwirrt um, um zu sehen, was Luca sieht. Hinter der Scheibe steht ein Mann, etwa so alt wie Roland. Er hat sogar eine gewisse Ähnlichkeit mit Roland. Er scheint nur wenig älter zu sein. Er grinst breit.
»Tut mir leid, das mit der Spritze. Aber meine Männer meinten, du hättest der Kleinen einen Lauf an die Schläfe gedrückt. Und ausräuchern wolltest du sie wohl auch. Also, ich, wenn die Süße wäre, würde dir nicht mehr so nahe kommen wollen. Nicht nachdem du versucht hast, sie zu töten .«
»Er hat nicht …« Weiter komme ich nicht. Luca schiebt mich hinter seinen Rücken.
»Was habt ihr euch dabei gedacht?« Er klingt zornig. Richtig zornig. Also schweige ich lieber und beschließe, den Irrtum nicht aufzuklären. »Oh nein wartet, ihr habt gar nicht gedacht!« Ich ziehe die Augenbrauen hoch und versteife mich. So habe ich Luca noch nie erlebt. Meine Hände liegen auf seinen Schultern und ich spüre, dass sein Körper bebt. Er hat die Hände zu Fäusten geballt und die Muskeln sind an seinen Armen hervorgetreten. Gerade bin ich sehr froh, dass Luca auf meiner Seite ist.
»Jetzt beruhig dich mal wieder. Ihr befindet euch doch in Quarantäne, oder nicht ?«
Noch ein Mann tritt durch die Tür hi nter der Scheibe. Er ist jünger als der Erste. Wenn überhaupt nur ein paar Jahre älter als Luca und ich. Er mustert uns aufmerksam, mich etwas länger als Luca. Beide haben recht ordentliche Kleidung an, keine Löcher, keine Flicken und kein Schmutz. Auch nicht an ihren Körpern. Mit einmal fühle ich mich in meinen dreckigen, stinkenden Klamotten ziemlich unwohl. Ich verkrieche mich wieder hinter Luca und spähe über seine Schulter.
»Wir wissen Bescheid. Keine Sorge, William hat uns erzählt, was er sich zusammengereimt hat. Wir haben noch den letzten Funkspruch von Station elf und die Vermutung von Roland dazugesetzt und das Puzzle vervollständigt .«
Irgendwie verstehe ich schon wieder nicht viel von dem, was die Rebellen da sagen. Jedes Mal, wenn Rebellen sich unterhalten, scheint mein Hirn sich abzuschalten. Hier draußen sprechen die Menschen eine andere Sprache. Ein Wunder, dass ich Luca verstehen kann.
Luca verzieht das Gesicht, als Station elf erwähnt wird , ich kann sehen wie seine Kiefer mahlen. »Was heißt?«, hakt er nach, der anscheinend auch nicht verstanden hat.
»Später. Wir kümmern uns gerade um das Problem. Hoffen wir, dass es nicht zu spät ist. Ich schlage vor, du zeigst deinem Mädchen, wie man die Dusche benutzt. Ihr habt es echt nötig .«
»Vater, sie ist da«, sagt der Jüngere.
Es knackt wieder, dann kann ich zwar sehen, dass die Männer sich unterhalten, höre aber nichts mehr. Kurz darauf verlassen sie den Raum.
»Was passiert hier«, will ich von Luca wissen, der noch immer verbissen auf die Scheibe starrt.
»Ich weiß es nicht. Aber solange wir hier drin sind, sind die da draußen vor uns sicher. Also ist es wohl nicht so übel, nicht wahr.« Er zieht mich an seinen
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