Tesarenland (German Edition)
sieht zu mir. » Fast zwei Jahre.« Er hätte in ein paar Monaten zum zweiten Mal das Sommerfest bei uns gefeiert. So lange hat er für sich gelebt. Mit meinem Daumen streichle ich über seine Fingerknöchel.
»Wir hatten in letzter Zeit einige Erfolge. Wir haben ein paar Mal in ihre Fortpflanzungsstationen eindringen können und ein paar dieser Bastarde in die Luft jagen können, bevor sie reif genug waren ihre Behälter zu verlassen. Von zwei hab ich gehört, es wäre ihnen gelungen sich unter einem der Zäune durchzugraben, ohne dass die Bastarde das gemerkt haben. Leider haben die Aliens ziemlich schnell reagiert, als sie gesehen haben, dass eine ihrer Kolonien fast leer war. Sie haben die Zäune so eingestellt, dass auch kein Graben mehr was bringt .« Alexander klopft mit seinem Stift gegen unsere Scheibe und lacht. Ich kann nicht darüber lachen, wenn ich mir das kleine Tesarenkind in seinem Behälter vorstelle. Es macht mich traurig, dass Menschen auch dazu fähig sind, so hilflose Geschöpfe zu töten. Wir unterscheiden uns eigentlich kaum von unseren Eroberern. »Ich vermute die Mistviecher haben Angst vor uns«, fügt Alexander zufrieden lächelnd hinzu.
Hinter ihm öffnet sich die Tür, eine Frau steckt ihren Kopf herein, schaut kurz zu uns auf, spricht dann mit Alexander.
»Die Pflicht ruft, Kinder. Ich denke, wir plaudern später weiter.«
Später! Was, wenn es für uns kein Später mehr gibt? Ich möchte Antworten. Ich will wissen, warum Kayla sterben musste, will wissen, warum wir alle sterben müssen. Wie viele von den anderen Kindern aus Kolonie D sind schon gestorben? Gibt es noch mehr aus anderen Kolonien?
Ich sehe hilflos zu Luca auf. Er hebt seine Hand und wischt über meinen Mundwinkel. »Blut.«
Ich zucke mit der Schulter, etwas, was mir mittlerweile egal ist. Die Sache mit dem Sterben habe ich akzeptiert. Schon bevor wir Kayla bestattet haben. Von der Sekunde an, da die ersten Anzeichen auch bei mir aufgetaucht waren. Alles, was ich noch will, ist wissen warum.
Ich gehe in die Toilette, halte die Hände unter das Wasser, spritze mir das Gesicht nass und trinke ein paar Schlucke. Direkt über der Waschschüssel gibt es einen Spiegel. Vorhin ist er mir nicht aufgefallen. Grüne Augen, rostbraunes, struppiges Haar, eingefallene Wangen.
Das bin ich. So sehe ich aus. Es ist komisch, wenn man sich selbst sieht. Ich runzle testweise die Stirn, lächle, strecke mir die Zunge raus. So sehen die anderen mich also? So sieht Luca mich. Ich kann nicht behaupten, dass ich hübsch bin, eher durchschnitt. Lina ist viel hübscher als ich. Ich hab eine kleine Nase, an der Spitze knubbelig, meine Augenbrauen sind schmal und dünn, kaum sichtbar. Linas waren schön gebogene dunkle Striche. Ich glaube, meine haben nicht einmal eine Form, zwei hellrote Kurven, die sich über meinen Augen bewegen. Und ich habe Sommersprossen, nicht nur im Sommer, schließlich haben wir Winter. Warum hat mir das niemals jemand gesagt?
Noch ein Gesicht taucht im Spiegel auf. Luca lehnt sein Kinn auf meine Schulter. »Hübsch«, murmelt er.
Ich runzle die Stirn, fahre durch meine Haare. »Kein bisschen.«
Er fährt mir mit einem Finger über die Lippen. »Das sagen alle Frauen von sich. Aber das stimmt nicht. Weiche, volle Lippen, gerade etwas farblos, aber wenn du gesund bist, sind sie rot .« Er zieht meine Mundwinkel nach oben. »Wenn du lachst, bilden sich hier und hier zwei wunderschöne Grübchen. Und hier oben, auf deinen Wangenknochen, wirst du immer rot, wenn ich dich ansehe, so wie jetzt.«
Ich sehe in den Spiegel, er hat recht. Ich bin knallrot, und zwar nicht nur auf den Wangenknochen. Mein ganzes Gesicht ist rot überzogen. Für einen Moment habe ich mehr Farbe im Gesicht als Luca.
Alexander ist zurückgekommen. Er sitzt wieder auf seinem Platz, bittet uns, ihm zu sagen, wie wir uns fühlen, was wir in den letzten Tagen erlebt haben. Luca berichtet ihm alles, nur Kaylas Tod lässt er aus. Aber darüber wissen sie ohnehin schon Bescheid, weil Luca ihnen am Funkgerät von ihr erzählt hat, als er ihnen Rolands Vermutung geschildert hat.
Alexander fragt auch nicht nach Kayla. Er hat bestimmt schon längst verstanden, was passiert ist. Vielleicht hat er auch ihren Bestattungshaufen gesehen? War er einer der Männer in den Silberanzügen?
»Ich hab da jemanden, den ich gerne zu euch reinschicken würde.« Er tippt mit seinem Stift wieder gegen die Scheibe.
»Sie können hier niemanden reinschicken. Das ist
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