Tesarenland (German Edition)
Scheibe und beobachtet uns. Anfangs haben mich seine Blicke gestört und ich habe versucht, mich hinter Luca zu verstecken, aber irgendwann habe ich mich daran gewöhnt.
Der Mann schreibt etwas, sieht zu uns auf, schreibt wieder. Luca scheint sich nicht an ihm zu stören. Aber auch er achtet darauf, dass der junge Mann mich nicht zu genau mustern kann. Manchmal legt er besitzergreifend beide Arme um mich und küsst mich flüchtig, als wolle er dem anderen zeigen, dass ich ihm gehöre. Irgendwie gefällt mir das.
Der Mann auf der anderen Seite der Scheibe ist muskulöser als Luca, etwas kleiner, schätze ich, aber bestimmt zwanzig Sommer alt. Seine Haare sind ganz kurz geschoren, was sein Gesicht kantig wirken lässt. Er hat stahlblaue Augen, so blau, dass ich sie problemlos durch die Scheibe hindurch leuchten sehe. Das gefällt mir irgendwie. Ich habe bisher noch niemanden mit so auffälligen Augen gesehen. Was er wohl schreibt?
Hinter ihm geht die Tür auf, der ältere Mann tritt ein, es knackt.
»Ich sehe, ihr habt geduscht. Also, am besten, ich stelle mich mal vor. Ich bin Alexander, der Onkel von Roland. Das ist mein Sohn Aiden. Du bist Luca, das wissen wir auch, aber wer ist denn unser hübscher Gast?« Alexander drängt seinen Sohn von dem Stuhl und setzt sich selber. Die Zwei reden etwas, was wir wieder nicht hören können, danach geht Aiden, nicht ohne mir noch einmal frech zu zu grinsen.
»Also, Kleine? Sagst du uns deinen Namen ?«
»Brenna«, sage ich.
Der Mann schreibt etwas, ich nehme an, meinen Namen. Plötzlich interessiert es mich, wie mein Name wohl geschrieben aussieht.
»Brenna, aus welcher Kolonie bist du ?«
»Kolonie D«, springt Luca ein. »Wozu das Ganze? Sagt uns jetzt mal einer, was hier los ist ?«
Der Stift bewegt sich wieder über das Papier. Alexander sieht zu uns auf, er tippt sich mit den Fingerspitzen an die Stirn, dann zieht er die buschigen Augenbrauen hoch. Jetzt fällt mir ein, warum er mich so an Roland erinnert. Sie haben beide diese wilden Borsten über den Augen.
»So viel wir wissen, hat man euch Kindern einen Virus geimpft«, sagt der Mann.
Diese Information erstaunt mich nicht wirklich. Mittlerweile wissen wir recht gut, dass diese Impfung alles andere als nett gemeint war. Zumindest konnte es kein Zufall sein, dass wir alle nach dieser Spritze krank geworden sind. Aber es schockiert mich trotzdem, dass die Tesare uns absichtlich infiziert haben. Dass sie Kaylas Tod absichtlich hervorgerufen haben. Warum tun sie so was? Warum machen sie Kinder erst krank und bringen sie dann um, wenn sie krank sind? Was für merkwürdige Experimente sind das? Wozu soll das gut sein?
»So weit war uns das klar, aber was soll das ?«, will Luca auch wissen. Er steht neben mir an das Bett gelehnt und hält meine Hand.
»Der letzte Funkspruch von Station elf lautete: Pandora hat eine neue Plage, das ließ nicht viele Möglichkeiten offen. Es konnte sich nur um eine neue Krankheit handeln. Wir haben trotzdem jemanden von uns hingeschickt, um nach dem Rechten zu sehen.« Alexander zögert, verzieht das Gesicht. »Er hat es nicht geschafft. Aber er hat uns gemeldet, dass alle tot sind.«
Lucas Hand verkrampft sich um meine, aber in seinem Gesicht kann man keine Veränderung sehen. Er schaut noch immer genauso reglos, wie zu Anfang des Gesprächs. »Wie konnte es so schnell gehen ?«
»Das ist, was wir herausfinden wollen, weswegen wir uns Hilfe geholt haben .« Meint er uns damit? Wie sollen wir ihm dabei helfen? Wir wissen doch selber nicht viel mehr.
»Warum Kinder ?«, frage ich und denke an Kayla. »Wozu das alles? Sie haben uns doch schon fast ausgerottet. Warum wollen sie noch mehr Menschen töten? Ich denke, sie brauchen uns, damit wir ihre Städte pflegen können?« Den letzten Satz betone ich absichtlich sarkastisch. Wir schuften für sie als Sklaven. Mit freiwilliger Arbeit hat das nichts zu tun. »Wer soll ohne uns ihr Karam anbauen? Das wäre doch ziemlich dumm von ihnen.«
Der Mann hinter der Scheibe lacht. »Ich mag die Kleine. Kinder, weil wir sie bestimmt nicht draußen herumlaufen lassen, wenn sie uns über den Weg laufen. Station elf hat wohl auch ein Kind gefunden und mit nach Hause genommen .« Er tippt sich wieder an die Stirn. »In den Kolonien entwickeln sich die Bestände vielleicht ganz gut, sodass sie nicht befürchten müssen, dass ihnen der Vorrat an Menschen in nächster Zeit ausgeht.« Alexander sieht Luca an. »Wie lang bist du schon weg?«
Luca
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