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Tesarenland (German Edition)

Tesarenland (German Edition)

Titel: Tesarenland (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Savannah Davis
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eifersüchtig trotte ich hinter den beiden her. In Kaylas Augen ist Luca so etwas wie ein Held. Ich wäre auch gern jemand, auf den sie stolz sein kann. Mutter hat sie auch immer bewundert. In Kolonie D habe ich nie etwas getan, was sie hätte bewundern können. Selbst in den letzten Monaten habe ich uns eher schlecht durchgebracht.
    Die Holzhütten am See sind nicht groß und fast komplett von Kletterranken und anderen Pflanzen zugewuchert. Unter manchem Grünzeug verbirgt sich ein Auto, ein Stuhl oder andere Sachen, die bezeugen, dass hier einst der Mensch die Herrschaft über die Natur hatte. Jetzt hat die Natur sich zurückerobert, was ihr gehört.
    Mit bloßen Händen reißt Luca Ranken vom Eingang einer Hütte. Die Entenfamilie ist uns bis hierher gefolgt und beobachtet uns argwöhnisch. Ich greife mit zu und reiße auch Grünzeug von den Wänden der Hütte, bis die Tür soweit frei ist, dass wir ins Innere gelangen.
    Es ist unheimlich und aufregend zugleich, was uns hier drinnen erwartet. Ich sehe mich in der kleinen Hütte um und habe das Gefühl, dass ich den Menschen, die damals hier gelebt haben, ganz nahe bin. Diese Hütte ist ein Stück unserer Vergangenheit. Sie stammt aus einer Zeit, als Menschen noch frei waren. Ich versuche alles hier in mich aufzunehmen, um ein Gefühl für das Leben der Menschen von damals zu bekommen. Einige Ranken haben es bis hier rein geschafft. Sie umschlingen Möbel, deren Nutzen ich nur erraten kann. Ein großes bequem wirkendes Ding nimmt eine ganze Wand ein. Ein kleines Kerlchen mit Buschelschwanz kommt unter einem Tisch hervorgeschossen, rennt quer durch die Hütte und flieht dann zu einem kaputten Fenster heraus.
    »Ein Eichhörnchen«, quiekt Kayla. »Ich hab eins gesehen in Marcos Buch über Tiere. Ich weiß genau, das war ein Eichhörnchen .« Ich sehe Luca fragend an, er nickt.
    Luca steuert auf das große Teil vor der Wand zu. Es sieht irgendwie aus wie ein Bett mit Lehne. Ich weiß nicht, wie es heißt, aber ich weiß, dass man darauf sitzen kann. Er reißt die Pflanzen herunter und zeigt darauf. »Setzt euch .« Wusste ich es doch.
    Kayla schaut mich misstrauisch an. Ich zucke mit den Schultern und drücke mit den Fingern auf die dunklen Kissen, die halb so groß sind, wie ein Bett. Sie sind aufgerissen, weiße Wolken quellen aus ihrem Inneren. Der Stoff fühlt sich krustig und klamm an. Kayla setzt sich erst vorsichtig, springt dann noch mal auf und lässt sich mit Schwung fallen. Sie kichert und wiederholt das Ganze mehrmals. Mit jedem Sprung wirbelt sie Dreck und Staub auf. Bald ist sie fast in einer Staubwolke verschwunden. Wenn es Kaylas Gehopse übersteht, wird es mich auch tragen können. Ich lasse mich drauf fallen und schließe die Augen, atme tief durch.
    Ich bin müde, meine Knochen schmerzen, meine Muskeln zucken unkontrolliert, meine Füße passen kaum noch in ihre Schuhe. Ich streife sie ab, lass sie unbeachtet auf den schmutzigen Boden fallen. So weit bin ich noch nie gelaufen. Unser Bewegungsradius in Kolonie D war extrem eingeschränkt. Für einen Moment sehne ich mich zurück in mein bequemes neues Bett im Lager bei der Mine. Die Nacht war anstrengend gewesen. Ich belausche Luca, der Schranktüren aufreißt, sie wieder zuwirft, irgendwelche Dinge auf den Boden fallen lässt. Obwohl er genauso müde sein muss wie wir, scheint er noch immer Kraftreserven zu haben. Er gönnt sich keine Pause, agiert einfach weiter, als würde sein Körper ewig funktionieren. Ich frage mich, wo er diese Stärke hernimmt.
    Jemand rüttelt an meiner Schulter. Ich muss eingeschlafen sein, als ich die Augen öffne, schaut Luca auf mich herab. Ich blinzle, runzle die Stirn und richte mich widerwillig auf. Kayla liegt mit dem Kopf auf meinen Schoß und beschwert sich im Halbschlaf. Vorsichtig bette ich sie gemütlicher und lege ihr meine Jacke auf den Oberkörper.
    »Ich habe eine Karte gefunden. Draußen war eine in einem Kasten angebracht. Ach übrigens …« Luca grinst, »wir befinden uns in einem Naherholungspark, aber das wusstet ihr zwei ja schon.« Er sieht von Kayla zu mir und dann auf unseren dreckigen aber bequemen Schlafplatz. Ich verstehe nicht was er meint, aber seinem Tonfall entnehme ich, dass er sich gerade über uns lustig gemacht hat.
    Luca kniet sich auf den Holzboden und breitet ein großes Stück Papier aus, auf dem ich viel Grün sehen kann, durch das sich rote, graue und gelbe Adern ziehen. »Das ist eine Wanderkarte«, sagt er und bittet mich, mich

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