Tesarenland (German Edition)
Er kann wirklich gut mit Kindern umgehen. Schade, dass ich es nicht kann. Wenn, dann würde Kayla mich vielleicht auch so anhimmeln wie ihn.
»Ein Jagdmesser ?«, fragt sie mit gereizter Stimme.
»Mein Onkel und mein Vater hatten so eins. Man kann alles Mögliche damit machen, auch Hasen töten. Wenn man lange im Wald unterwegs ist, ist es gut, wenn man sich selbst mit Essen versorgen kann .«
»Wo hast du es her ?«, frage ich. Die Tesare hätten ihm ein solches Messer bestimmt nicht gelassen. Das hier ist riesig, bestimmt länger als meine Hand. In der Kolonie hatten wir immer nur kleine Messer, die kaum zu was zu gebrauchen waren.
»Aus dem Schrank da. Gut möglich, dass hier mal ein Jäger gelebt hat. Oder ein Angler, das könnte auch passen .«
»Jäger? Angler ?«, will Kayla wissen und untersucht das Messer genauer.
»Jäger haben Tiere in den Wäldern gejagt. Und Angler haben Fische aus dem Wasser geangelt .«
»Ah«, macht Kayla. Sie dreht und wendet das Messer in der Hand. »Es ist rostig, soll ich es putzen ?«
Luca nimmt ihr das Messer ab. »Lass nur, ich mach das schon. Rebellen kennen sich gut mit Messern aus. Und mit Putzen.«
»Was machen Rebellen genau?«, fragt Kayla.
Luca schaut zu mir auf. Ich kann den Zwiespalt in seinen Augen sehen. Ich kann ihm da nicht raushelfen, da ich selber nicht weiß, was Rebellen machen. Also zucke ich mit den Schultern, weil mich die Antwort eigentlich auch interessiert.
»Sie töten Tesare«, sagt er leise.
Kayla nickt nur. Ich wüsste zu gerne, was ihr durch den Kopf geht, aus ihrem Gesicht lässt sich nichts ablesen. Mich überrascht diese Antwort. Ich versuche mir vorzustellen, wie Luca einen Tesar mit diesem Messer tötet. Ich kann es nicht. Tesare sind um vieles stärker als wir Menschen. Ich habe gesehen, wie einer von ihnen einen Mann mit nur einer ausholenden Bewegung seines Arms fünf Meter durch die Luft geschleudert hat.
Trotzdem möchte ich fragen, habt ihr Erfolg dabei. Warum Zeit auf die Tesare verschwenden, wenn es Menschen gibt, die man befreien könnte? Ich kann meine Gefühle nicht erklären. Ich weiß, ich sollte Luca dankbar sein, schließlich hat er uns bis hierher gebracht. Aber etwas in mir kämpft mit dem Wissen, dass er mit Messern gespielt hat, während in Kolonie D Menschen gestorben sind. Während die Tesare meine Mutter geholt haben, sowie viele andere auch. Gut, nicht Luca hat zu diesem Zeitpunkt mit Messern gespielt, aber seine Freunde. Sie sind ja nicht mal gekommen, um ihn zu befreien.
»Lass uns mal schauen, was Luca zu Essen gefunden hat .« Ich muss mich ablenken, deshalb wende ich mich den Schränken zu, die Luca vorhin durchsucht hat. Ich versuche es mit ein paar aufmunternden Gedanken, was den bisher erfolgreichen Verlauf unserer Flucht angeht. Ich überlege, wie es möglich sein kann, dass wir noch immer frei sind, dass sie uns trotz unserer Chips noch nicht aufgespürt haben.
Vielleicht folgen uns die Tesare gar nicht. Vielleicht sind wir ihnen egal, denke ich, während ich verschiedene Konserven aus den Schränken hole und sie vor Kayla auf den Tisch stelle. Könnten wir nicht einfach hierbleiben und abwarten, was passiert? Wir haben alles hier, was wir brauchen. Ich könnte mit Kayla einfach in dieser Hütte bleiben. Wir brauchen Luca nicht mehr. Es gibt Essen hier und Wasser und Tiere und im Sommer vielleicht Früchte im Wald. Und dann kommen die Tesare doch, finden uns, weil wir diese Chips in unseren Armen haben. Und ich habe den einzigen Menschen weggeschickt, der weiß, wie man diese Monster umbringt.
Weiß Luca das wirklich? Hat er schon einen Tesar getötet? Ich kann meine Wut auf Luca einfach nicht abschalten. Eigentlich bin ich gar nicht wütend auf ihn. Er hat uns geholfen. Ich bin wütend auf die Menschen, die in Freiheit leben. Ein schönes sorgloses, sicheres Leben. Auf Luca bin ich nur eifersüchtig, weil Kayla ihn so sehr mag. Dabei sollte sie mich mögen. Ich bin ihre Schwester. Ein bisschen Eifersüchtig bin ich auch auf Kayla, weil Luca sie so sehr mag. Er macht ständig Späßchen mit ihr. Ich fühle mich überflüssig. Aber warum sollte ich eifersüchtig wegen Luca sein? Ich mag ihn noch nicht mal besonders. Schon in Kolonie D war er immer so abweisend. Und was er erst mit Lina gemacht hat!
»Was steht da ?« Kayla hat mehrere Büchsen auf ihre Arme geladen und trägt sie zu Luca, der an der Tür steht und hinausspäht.
»Rindergulasch mit Kartoffeln«, liest er vor.
»Und
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