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Tesarenland (German Edition)

Tesarenland (German Edition)

Titel: Tesarenland (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Savannah Davis
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werde ich. Trotzdem suche ich weiter, bis ich die Taschen voll mit allem habe, was man werfen kann.
    Kayla achtet darauf, dass sie in meiner Nähe bleibt, was gut ist. Jeder unüberlegte Schritt, den wir machen, könnte direkt in den Lichtzaun führen. Erst als wir genug gesammelt haben, geht Luca voran. Immer wieder wirft er Steine und Tannzapfen. Als Lucas Taschen leer sind, gehe ich zuerst und werfe. Kayla möchte dann auch übernehmen, aber wir lassen sie beide nicht vorgehen.
    Die hohen Bäume lassen kein Mondlicht zu uns herunter. Wir arbeiten uns Steinwurf für Steinwurf voran. Einen Fuß vor den anderen, immer nahe beieinander. Zweige knacken unter unseren Füßen, mehrmals stolpere ich über Wurzeln. Luca bewegt sich so behände durch den Wald, dass ich ihn nur bewundern kann. Er strauchelt nicht, macht kaum ein Geräusch. Es ist fast, als könnte er in der Nacht sehen. Kayla und ich folgen ihm auf den Fuß, sobald wir merken, wie sicher er sich bewegt.
    Ich fühle mich zwiegespalten; ich möchte schneller vorankommen, um genügend Abstand zwischen uns und die Speere der Wächter zu bekommen, und ich möchte langsamer vorankommen, aus Angst, jeder Schritt könnte unser letzter sein. Aber da kommt kein Lichtzaun. Nicht nach hundert Schritten, nicht nach fünfhundert. Es scheint als stände uns die ganze Erde offen. Zum ersten Mal in unserem Leben beschränkt sich unsere Welt nicht nur auf ein winziges Gebiet, das wir uns mit vielen anderen Menschen teilen. Zum ersten Mal spüre ich so etwas, wie frei durchatmen zu können. Und doch macht mir diese Plötzliche Weite auch Angst. Ich fühle mich fast schon Schutzlos, so als müsste ich nachts auf die Toilette, und würde nur eins wollen; wieder unter meine schützende Decke schlüpfen. Denn solange ich nur in meinem Bett liege, kann mich nichts aus der Dunkelheit angreifen.
    Nach einer Weile bleibt Luca stehen. »Ich denke, jetzt müssen wir nicht mehr mit einem Zaun rechnen«, sagt er ruhig.
    Meine Atmung geht hektisch und bei ihm, nichts. Als wären wir nicht gerade Ewigkeiten durch den Wald gelaufen, immer mit der Angst im Nacken, die Tesare könnten uns folgen. Ich würde ihn am liebsten würgen, weil ich mir nicht erklären kann, wie er das macht. In meiner Vorstellung sehe ich ihn über mich lachen. Nicht einmal Kayla scheint so außer Atem zu sein wie ich, und sie ist krank, aber Luca hat sie auch eine Zeit lang getragen. Ich bin so viel Bewegung einfach nicht gewohnt, sage ich mir. Wer weiß, was Luca in seinem früheren Leben gemacht hat. Er kennt sich in Wäldern wohl gut aus. Vielleicht haben die Tesare ihn auf die Jagd nach Wild geschickt? Aber er scheint kein Sklave gewesen zu sein. Genauso wie die Frau trägt er kein Mal. Dieses fehlende Mal auf Lucas Stirn hat schon in der Kolonie zu vielen Spekulationen und Gerüchten geführt.
    Ich stemme die Hände auf die Knie und atme ein paar Mal tief durch, bevor ich es wage, etwas zu sagen. »Bist du sicher ?«
    »Sicher kann man nie sein, aber ich wüsste nicht, wozu sie so weit außerhalb des Lagers noch einen Zaun bauen sollten .«
    »Das war einfach. Findest du das nicht auch merkwürdig ?« Ich hole meine Wasserflasche aus meinem Leinensack und trinke hastig ein paar Schlucke, um das Brennen im Hals zu bekämpfen.
    »Das war wirklich einfach !«, mischt Kayla sich ein. »Warum laufen wir eigentlich weg?« Sie klingt trotzig. Ich möchte ihr gern die Wahrheit sagen, aber das geht nicht. Wie sagt man einem Kind, dass es sterben soll, nur weil es krank ist. Dass es nicht mehr lange zu leben hat, wenn die Tesare es finden. Aber wahrscheinlich genügt unsere Flucht sowieso schon zum Todesurteil. Ich denke nicht, dass sie, wenn sie uns erst erwischen, zögern werden von ihren Speeren Gebrauch zu machen.
    Ich ziehe sie in meine Arme und halte sie einige Augenblicke lang fest. Am liebsten würde ich sie gar nicht mehr loslassen, aber sie kämpft sich frei und schaut mich fragend an. Was soll ich ihr nur sagen, warum ich sie von dem einzigen Ort weggebracht ha be, an dem sie jemals genug zu essen hatte. An dem sie seit Langem wieder glücklich war. Ich kann verstehen, wenn sie mich jetzt hasst. Aber das Risiko muss ich eingehen, denn ich werde ihr nicht sagen, dass sie vielleicht sterben wird.
    »Da läuft irgendein Experiment. Keine Ahnung, was genau, aber sie töten uns einen nach dem anderen. Wir mussten es versuchen .« So einfach war das. Luca hat nicht einmal gelogen. Er hat nur ein paar Dinge

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